Der Trainer Horst Steffen spricht über die Perspektiven des zuletzt viertplatzierten Fußball-Drittligisten Stuttgarter Kickers, seinen Umgang mit der Mannschaft und das Verhältnis zu dem Sportdirektor Michael Zeyer.

Sport: Joachim Klumpp (ump)
Stuttgart – - Der Trainer Horst Steffen will sich immer verbessern. Reicht es nach Platz vier in der vorigen Runde nun also zum Aufstieg mit dem Fußball-Drittligisten Stuttgarter Kickers? Mit einer Prognose in dieser Hinsicht hält sich der 46-Jährige vor dem Saisonauftakt am Samstag (14 Uhr) gegen Fortuna Köln bedeckt.
Herr Steffen, Sie hatten gleich zwei Chancen auf die zweite Liga: einmal mit den Kickers aufzusteigen, zum anderen einfach zu Fortuna Düsseldorf zu wechseln. Beides hat nicht geklappt – warum?
Bei den Kickers haben wir speziell in der Hinrunde viele gute Spiele gemacht, wo wir in der Summe nicht immer gewonnen haben, sonst hätten wir die paar Pünktchen mehr gehabt, um zumindest den Relegationsplatz zu schaffen. Außerdem kam zum Schluss auch noch ein wenig Verletzungspech dazu, mit den Ausfällen von Braun, Calamita, Badiane oder teilweise Marchese – da hat dann einfach auch etwas Qualität gefehlt. Das war der eine Grund. Zu Fortuna Düsseldorf: ich stand hier unter Vertrag, hatte keine Ausstiegsklausel und wollte das auch nicht. Insofern gab’s nur ein Gespräch, auch wegen der Heimatnähe– und dann war das Thema erledigt.
Sagen Sie dieses Jahr: „Jetzt wollen wir aufsteigen“, nachdem Sie erklärt haben, Sie wollen sich immer verbessern? Als Vorjahresvierter bleibt nicht mehr viel Luft nach oben.
Wehen Wiesbaden hatte im vergangenen Jahr die gleiche Ausgangsposition – und zum Schluss nichts mit dem Aufstieg zu tun. Wir hoffen, dass uns das nicht passiert und wir wieder Anschluss nach oben haben. Aber die anderen Mannschaften verstärken sich ebenfalls. Wir haben das auch versucht mit unseren Möglichkeiten. Ob’s für ganz vorne reicht, muss man sehen. Ziel ist sicher, dass wir unter den ersten acht sind mit Tuchfühlung zu den Aufstiegsplätzen. Viel mehr kann man nicht ausgeben.
Bei den Transfers liegen die Kickers mit 16 Zu- oder Abgängen eher im hinteren Drittel. Ein Vorteil in puncto Konstanz?
Ich habe das letztes Jahr mal kontrolliert, da waren wir in dieser Hinsicht ganz weit unten. Was ich grundsätzlich für vernünftig halte. Jedes Jahr 15 Zu- und 16 Abgänge kann nicht förderlich sein für eine Entwicklung. Im Vergleich zum Vorjahr haben wir relativ viele Neue, was auch damit zusammenhängt, dass wir etwas mehr Budget haben und nach der anstrengenden Saison frische Kräfte brauchten, die das Niveau vielleicht nochmals heben und auch von der Motivation her unbedingt angreifen wollen.
Wenn man die Abgänge betrachtet, waren – mit Ausnahme von Besar Halimi – kaum Stammspieler dabei, so dass die Mannschaft in der Breite sicher stärker aufgestellt ist.
Ja, wenn Verletzungen oder Sperren kommen, können wir die Ausfälle jetzt ersetzen, was zum Ende der vorigen Saison etwas gefehlt hat. Das führt dazu, dass wir gute Spieler möglicherweise erst mal auf der Bank haben, die sicher jederzeit spielen könnten. Es wird also die Aufgabe sein, dass wir damit gut umgehen. Auch die Spieler, obwohl sie vielleicht mal nicht eingesetzt werden.
Ist das die Hauptaufgabe des Trainers, alle Spieler bei Laune zu halten?
Zunächst einmal können die Spieler nicht davon ausgehen, dass sie Stammspieler sind. Sie müssen alle um ihre Plätze kämpfen, das ist der Profisport. Und ich bin nicht derjenige, der immer für die gute Laune zuständig ist. Die Spieler müssen auch selbst Gas geben. Ich muss mich nicht ständig entschuldigen für irgendwelche Nichtnominierungen. Die Jungs müssen positive Energie reinbringen und nicht auf beleidigt machen, sonst kann ich auch beleidigt sein.
Wie macht sich das bemerkbar?
Wenn die Spieler eine harte Hand brauchen, bekommen sie die. Das haben sie auch im Trainingslager gespürt. Und wenn wir gegen Hoffenheim II nur 2:2 spielen, ist mir das zu wenig. Das bekommt die Mannschaft dann deutlich zu hören.
Fast alle Neuzugänge kommen aus zweiten Mannschaften. Ist das eine Strategie?
Nicht unbedingt. Aber die jungen talentierten Spieler, die in großen Leistungszentren unterkommen, haben sicher die Qualität, uns zu helfen. Die haben den entsprechenden Ehrgeiz, sich in einer ersten Mannschaft zu etablieren und zu beweisen, weil sie den ganz großen Sprung bisher noch nicht geschafft haben.
Wie schwer wiegt der Verlust von Besar Halimi?
Da ist sicher eine Qualität, die uns fehlt. Ich sehe dabei nicht nur seine wertvollen Dribblings, sondern seine Spielintelligenz und seine Laufbereitschaft. Das ist in der Rückrunde vielleicht ein bisschen untergegangen. Es ist schwer, ihn zu ersetzen. Aber er war schon im Trainingslager nicht dabei, und der Schnitt musste sein, damit jeder weiß: unser Spiel wird anders – aber deshalb nicht unbedingt schlechter oder schwächer.
Aber die Grundformation 4-3-3 bleibt. Warum wurde das angedachte 4-2-3-1-System nicht forciert?
Aus dem Grund, dass erst mal das Grundsystem beherrscht werden muss. Bei acht, neun Neuen hat das in der Vorbereitung länger gedauert, als ich gedacht hatte. Aber wichtiger ist, dass ich ein System richtig beherrsche als mehrere, die die Spieler möglicherweise durcheinanderbringen. Letztlich kann das 4-3-3 aber flexibel gespielt und somit jederzeit umgestellt werden.
Eigentlich waren die Transferaktivitäten abgeschlossen, dann haben Sie noch Tobias Pachonik geholt. Aus der Erkenntnis, dass im Defensivverhalten noch Defizite sind?
Der Junge ist ein Spieler mit Tempo, das wir auf den Außenbahnen mit Fabian Baumgärtel und Fabio Leutenecker so nicht hatten. Ein Wahnsinnssprinter, der manchmal auch Lücken reißen kann, die uns guttun können. Genau wie ein Mendler oder Berko. Wir haben bewusst danach ausgewählt, mehr Geschwindigkeit reinzubringen. Pachonik hatten wir schon länger diskutiert, und jetzt hatten wir die finanziellen Mittel durch den Halimi-Transfer, um das Leihgeschäft umzusetzen. So haben wir jetzt auch die Außenverteidiger adäquat doppelt besetzt.
Sie fangen wie erhofft mit einem Heimspiel an. Was erwarten Sie denn von der ersten vollen Saison im umgebauten Gazi-Stadion?
Ich glaube, es hat sich rumgesprochen, dass wir attraktiven Fußball spielen, dass die Mannschaft bis zum Schluss kämpft – und auch erfolgreich war. Das hat sicher eine Menge Zuschauer angelockt. Und die Atmosphäre ist durch die Haupttribüne noch imposanter geworden. Ich erwarte einfach, dass wir unsere Heimstärke beibehalten.
Noch ein Wort zum Sportdirektor Michael Zeyer. Wie ist die Zusammenarbeit mit ihm?
Den Michael zeichnet aus, dass er überhaupt nicht egoistisch handelt, sondern immer im Sinne des Vereins, und er hat einen langen Atem. Er diskutiert immer wieder über Dinge, wo er der Ansicht ist, da läuft etwas falsch. Da sind wir hin und wieder anderer Meinung. Aber er ist Fachmann, ich bin Fachmann, oft kommt noch Co-Trainer Sreto Ristic dazu. Da diskutieren dann drei Leute darüber, unser Spiel zu verbessern. Dementsprechend ist das eine Entwicklung. So einen Ansprechpartner, dem es nur um die Sache geht, den findet man im Fußball nicht oft. Plus einen Präsidenten Rainer Lorz, der unsere Entscheidungen mitträgt, über den nötigen Sachverstand und das Feingefühl verfügt, Dinge vernünftig zu analysieren.
In einem Punkt ist Ihnen der Sportdirektor voraus: Er hat einen Vertrag bis 2017, Sie nur bis 2016. Wann verlängern Sie?
Wir haben da keinen Druck, aber grundsätzlich hätte ich nichts dagegen. Ich fühle mich hier wohl und möchte vernünftig arbeiten. Alles Weitere wird man sehen.