Am Wochenende soll es wieder Gewitter geben. Wie reagiert man am besten, wenn es blitzt und donnert? Und müssen wir uns auf mehr Wetterkapriolen einstellen, wenn die Temperaturen weiter steigen? Ja, sagen Klimaforscher, trotz vieler Unsicherheiten.

Stuttgart - Wärme ist eine Form von Energie, und eine physikalische Theorie besagt, dass Energie nicht einfach verschwinden kann. Wenn also die Sonne strahlt und die Treibhausgase einen immer größeren Teil ihrer Energie einfangen, dann muss diese Energie irgendwo stecken. Nun ist es seit dem heißen Jahr 1998 aber nicht mehr wärmer geworden. Seit 15 Jahren verharrt die weltweite Durchschnittstemperatur auf einem hohen Niveau. Was ist da passiert?

 

Der britische Wetterdienst, das Met Office, fasst die wissenschaftliche Debatte darüber jetzt für die Öffentlichkeit zusammen. Es gebe noch nicht genügend Daten, um die Frage eindeutig zu beantworten, heißt es, doch eine Lösung liege nahe: Die Ozeane haben die zusätzliche Energie aufgenommen. Auch wenn in den Tiefen der Meere nur selten nachgemessen wird, gibt es Hinweise darauf, dass die Ozeane in den vergangenen Jahren wärmer geworden sind. Der Meeresspiegel steigt zudem kontinuierlich mit etwa drei Millimetern im Jahr – nicht nur wegen des Schmelzwassers von Gletschern, sondern auch weil sich Wasser mit steigenden Temperaturen ausdehnt.

Und doch haben sich Forscher gefragt, was die Pause beim Temperaturanstieg für ihre Computermodelle bedeutet, die einen stetigen Anstieg der Temperaturen vorhergesagt hatten. Ein Team um Alexander Otto von der Universität Cambridge hat im Fachmagazin „Nature Geoscience“ eine Antwort gegeben: Die Simulationen mit den höchsten Temperaturen scheinen nun unwahrscheinlich zu sein, weil sie zu empfindlich auf einen Anstieg der CO2-Konzentrationen reagieren.

Die Konzentration der Treibhausgase steigt und steigt

Im Grunde handle es sich um Gedankenexperimente, erläutert Jochem Marotzke, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, der an der Studie beteiligt gewesen ist. Man verdoppelt in der Simulation den CO2-Gehalt in der Luft, wartet eine Weile, bis sich das System wieder beruhigt hat, und misst dann die Temperatur. Dann hat man ein Maß dafür, wie stark sich die Temperatur durch den Anstieg der Treibhausgase erhöht; Klimaforscher nennen dieses Maß Klimasensitivität. Sie liegt der neuen Studie zufolge zwischen 1,2 und 3,9 Grad.

Auf den jüngsten UN-Klimakonferenzen ist das Zweigradziel politisch etabliert worden: Die Temperaturen sollen nicht mehr als zwei Grad über das vorindustrielle Niveau steigen, also nicht mehr als 1,2 Grad über das heutige. Wie müssten sich die CO2-Emissionen entwickeln, um dieses Ziel einhalten zu können? Die Klimasensitivität ist hierbei einer der Schlüsselfaktoren. Eine solide Antwort wird der UN-Klimarat IPCC Ende September geben, wenn er seinen nächsten Klimabericht herausgibt – den ersten seit Anfang 2007. In diesem Bericht fassen Klimaforscher aus aller Welt den Wissensstand ihres Fachgebiets zusammen.

Das Ergebnis will Jochem Marotzke nicht vorwegnehmen, aber er erwähnt ein optimistisches Szenario, das er mit seinen Kollegen berechnet hat und das kürzlich von einem Fachjournal zur Veröffentlichung angenommen worden ist: Wenn die Emissionen ab 2020 wieder sinken sollten, bis 2050 auf die Hälfte des Niveaus von 2000 fallen und weiter auf zehn Prozent bis zum Ende des Jahrhunderts, dann könnte man das Zweigradziel einhalten. Noch sieht es aber nicht danach aus: Seit 2000 ist der CO2-Ausstoß weltweit um 43 Prozent gestiegen; der CO2-Gehalt der Atmosphäre hat sich dadurch um 6,6 Prozent erhöht. (Quelle der Daten: Zusammenstellung des Global Carbon Project)

Der Faktor Mensch ist die größte Unsicherheit der Klimamodelle

Von allen Unsicherheiten in den Computermodellen, klagen heute die US-amerikanischen Klimaforscher Noah Diffenbaugh und Christopher Field in einem Überblicksartikel im Wissenschaftsmagazin „Science“, sei doch der Mensch die größte. Politik, Wirtschaft und Verbraucher bestimmen letztlich darüber, wie sich das Klima entwickeln werde. Die beiden Forscher haben ein pessimistisches Szenario gewählt, um zu berechnen, wie sich der Klimawandel auf die Umwelt auswirken wird. In diesem Klimaszenario, das nach Einschätzung der Autoren den aktuellen Emissionen entspricht, verändert sich die Welt in diesem Jahrhundert möglicherweise dramatischer als durch alle natürlichen Klimaveränderungen in den vergangenen 65 Millionen Jahren.

Vor allem die Wetterextreme machen den Forschern Sorgen. Hierzu hat der Weltklimarat schon 2012 einen Bericht herausgegeben (der Bericht wird SREX abgekürzt). Die Wetterextreme lassen sich nun nicht in einen Topf werfen. Ob Hagel zum Beispiel zunehmen wird, ist nach Ansicht des IPCC ungeklärt. Es gibt bis jetzt keine Anzeichen dafür. Klar ist nur, dass die Schäden zunehmen, da mehr Gebäude versichert sind. Nach Angaben des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft hat sich die versicherte Summe der Wohnungsgebäude in den letzten zehn Jahren von 5,4 auf 7,2 Billionen Euro erhöht.

Recht sicher sind sich die Klimaforscher des IPCC hingegen darin, dass es in Mitteleuropa im Winter häufiger und heftiger regnen wird. Das könnte auch zu mehr Überschwemmungen führen. Und für Südeuropa erwarten sie – ohne sich ganz sicher zu sein – häufiger Dürren. Grundsätzlich dürfe man erwarten, dass mehr passieren wird, sagt Marotzke: „Wenn die Temperatur steigt, ist mehr Energie im System.“