CDU und Grüne – das ist in Baden-Württemberg eine schwierige Beziehung: erst umgarnte man sich, dann folgte der Rosenkrieg. Nach der Bundestagswahl reift langsam die Erkenntnis, dass die Machtoptionen schwinden, wenn man sich einmauert.

Stuttgart - Noch wartete am Wahlsonntag alle Welt auf die erste Prognose, da grübelte Reinhard Bütikofer schon – von den Demoskopen vorab mit Zahlen versorgt –, was die sich abzeichnende Wahlschlappe seiner Partei wohl machtpolitisch bedeuten könnte. Auch das Scheitern der FDP zeichnete sich bereits ab. Nein, sagte der Europaabgeordnete, an Schwarz-Grün glaube er nicht. Vorerst. Doch Kanzlerin Angela Merkel werde mittelfristig nicht daran vorbeikommen, sich nach Machtoptionen abseits der SPD umschauen, wolle sie sich nicht in Abhängigkeit der Sozialdemokraten begeben.

 

Bütikofer weiß, wovon er redet. Ende der 1990er Jahre war er Grünen-Landesvorsitzender in Baden-Württemberg, zuvor – 1992 – hatte er als Landtagsabgeordneter die Sondierungsgespräche zwischen dem damaligen Ministerpräsidenten Erwin Teufel (CDU) sowie Fritz Kuhn und Rezzo Schlauch von den Grünen mitverfolgt. Natürlich wurde damals nichts aus einem schwarz-grünen Bündnis, es war noch zu früh, am Ende kam es zu einer großen Koalition, aus der die CDU gestärkt und die SPD geschwächt hervorging.

Nach nach der Landtagswahl 2006 nahm Teufels Nachfolger Günther Oettinger einen neuen Anlauf und lud den damaligen Grünen-Fraktionschef Winfried Kretschmann zu Sondierungsgesprächen ein. Doch Oettinger blieb unentschlossen, am Ende setzten sich die Gegenkräfte innerhalb der CDU durch, denen sich auch Stefan Mappus anschloss, der mit einigem Recht sagte, von Schwarz-Grün sei im Wahlkampf der CDU keine Rede gewesen, man dürfe die Wähler nicht täuschen. Dennoch war eine Chance vertan.

Als die Brücke zur CDU brachen

Später bugsierte der Ministerpräsident Mappus die CDU in eine Situation, in der nach dem Verlust der schwarz-gelben Mehrheit bei der Landtagswahl 2011 ein Bündnis mit den Grünen nicht mehr in Frage kam. Inhaltlich nicht und atmosphärisch schon gar nicht. Auch die Grünen hatten ihren Teil dazu beigetragen, Schwarz-Grün ins Reich der Fantasie zu befördern. Sie nutzten den Konflikt um Stuttgart 21, um in der Landeshauptstadt zur stärksten Kraft aufzusteigen, wobei sie in Kauf nahmen, dass alle Brücken zur CDU brachen.

Es liegt eine gewisse Ironie darin, dass nun ausgerechnet in Baden-Württemberg, wo sich Schwarze und Grüne lange sehr interessiert und in Teilen auch sehr verliebt beäugten, einem schwarz-grünen Bündnis auf Bundesebene kaum Chancen eingeräumt werden. Sie sehe Schwarz-Grün sehr kritisch, sagte die Landeschefin Thekla Walker am Montag. „Die Unterschiede sind zu groß; wir machen uns unglaubwürdig.“

Eine Sturzgeburt

Ministerpräsident Kretschmann äußerte sich tags darauf offener. „Wir werden ernsthaft sondieren, wenn es die andere Seite auch tut.“ Jedoch bezeichnete er Schwarz-Grün als „höchst unwahrscheinlich“. Nach der krachenden Niederlage der Grünen „wäre das eine Sturzgeburt“. Kretschmann machte erneut klar, dass „zwischen der SPD und der Linken für die Grünen kein Platz“ sei. Womit er eindeutig den Linksschwenk der Bundespartei vor der Bundestagswahl kritisierte. „Man gewinnt ganz selten Regierungsmehrheiten, wenn man sich gegen die Wirtschaft aufstellt oder zumindest diesen Anschein erweckt“, sagte der Regierungschef.

Mit seinem Bemühen, die Grünen zurück in die Mitte der Parteienlandschaft zu führen, brüskiert Kretschmann keineswegs seinen Koalitionspartner im Land. Die SPD ist nicht an Grünen interessiert, die ihnen auf dem Feld der sozialen Gerechtigkeit die Stammkundschaft wegnehmen, vielmehr weisen die Sozialdemokraten dem Koalitionspartner die Aufgabe zu, bürgerliche Stimmen ans Regierungslager zu binden. Kretschmann nutzte die Kabinettssitzung am Dienstag für einen dringenden Appell: Man möge das innerkoalitionäre Fingerhakeln doch bitte beenden und zur Geschlossenheit zurückfinden.

Lockerungsübungen bei der CDU

Zugleich ist aber auch Kretschmanns Bemühen unübersehbar, den Grünen mehr Beinfreiheit in Bündnisfragen zu verschaffen. Dieses Bemühen kleidete er in die Formulierung, die Grünen sollten aus der Bundestagswahl bitte die Lehre ziehen, dass Vorfestlegungen nichts brächten. „Wir müssen sehr viel klarer sagen, was wir selber wollen, und nicht in Koalitionswahlkämpfe gehen.“

Das Bestreben nach mehr Offenheit ist auch in der Landes-CDU erkennbar. Der Landesvorstand plädierte am Montagabend einmütig dafür, Sondierungsgespräche mit den Grünen aufzunehmen. Landesvorstandsmitglied Romen Link meldete sich mit der Forderung zu Wort: „Wir sollten die Gespräche mit den Grünen nicht als bloßes taktisches Mittel führen, um den Preis für eine große Koalition niedriger zu halten.“ Nachdem die Grünen gemerkt hätten, dass die Pläne für Steuererhöhungen nicht angekommen seien, „sehe ich auf vielen Politikfeldern durchaus die Möglichkeit für Kompromisse“. Auch andere Christdemokraten warnten: „Wir dürfen uns nicht leichtfertig einmauern.“