Heiner Geißler und SMA-Chef Stohler haben als Kompromiss ein Konzept entworfen, das Vor- und Nachteile hat. Geboren wurde es im Zugabteil.

Chefredaktion : Holger Gayer (hog)

Stuttgart - Hochfliegende Pläne beginnen ja oft mit einer Anekdote. Jene zum neuesten Vorschlag für einen zukunftsfähigen Stuttgarter Hauptbahnhof geht so: Werner Stohler und Heiner Geißler haben sich auf der Fahrt nach Schaffhausen im Zug getroffen. Beide hatten zuletzt mit Stuttgart 21 zu tun: der eine als Chef der Schweizer Firma SMA, welche die Leistungsfähigkeit des geplanten Tiefbahnhofs bewerten sollte, der andere als Schlichter in einem Politikexperiment, das dazu dienen sollte, den Frieden in der Landeshauptstadt wiederherzustellen. Im Zugabteil haben die beiden beschlossen: Ein Kompromiss muss her. Wir vereinen das Beste aus beiden Vorschlägen, dachten die beiden, bauen ein bisschen Tiefbahnhof, lassen ein wenig Kopfbahnhof stehen. Ihr Kind tauften sie auf den Namen SK2.2. Nebenbei informierte Geißler die Kanzlerin, den Ministerpräsidenten und die Bahn von seiner Idee. Keiner nahm das ernst. Doch als SMA von Zürich ins Bahn-Hauptquartier nach Berlin funkte, dass es noch einige Tage länger dauere, bis die Stresstestergebnisse für S21 vorlägen, begannen die Ersten, sich zu wundern. Was geschieht da, fragten sie sich. Seit Freitag tun sie das nicht mehr.

 

Das Konzept Kernstück des Konzepts, dem Geißler den ideologischen Überbau ("Frieden in Stuttgart") und SMA das in der Kürze der Zeit mögliche eisenbahntechnische Wissen gegeben hat, ist die Grundidee, auf der auch Stuttgart 21 fußt: eine durchgehende Schnellfahrstrecke Mannheim-Stuttgart-Ulm. Diese soll in Stuttgart einen viergleisigen Durchgangsbahnhof bekommen, der - wie bei S21 - quer zu den jetzt bestehenden Trassen unter der Erde liegt. In dieser halbierten Variante des Tiefbahnhofs sollen alle Fernzüge sowie jene schnellen Regionalzüge verkehren, die nicht in Stuttgart enden. Die Nahverkehrszüge sowie die ICEs und TGVs, die in der Landeshauptstadt enden, sollen in dem auf zehn bis zwölf Gleise reduzierten oberirdischen Kopfbahnhof einfahren.

Die Vorteile Heiner Geißler und die SMA meinen, dass sich mit dieser Variante der Bauaufwand verringere. Im Gegensatz zu S21 seien nur noch vier statt zwölf unterirdische Verzweigungsbauwerke notwendig. Die Zahl der Weichen im Tiefbahnhof reduziere sich von 46 auf 20. Und die Summe der Tunnelkilometer sei geringer: Während bei S21 mit 47,5 Kilometer ein- und fünf Kilometer zweigeleisigen Strecken im Untergrund geplant werden, seien es bei SK 2.2 nur noch 26 Kilometer ein- und ein Kilometer zweigleisige Trassen. In der Bilanz glauben Geißler und SMA an Investitionskosten von 2,5 bis 3 Milliarden Euro - im Gegensatz zu jenen 4,088 Milliarden Euro, die im Finanzierungsvertrag für S21 vorgesehen sind. Wichtigster Vorteil wäre aber die Möglichkeit, den Konflikt zwischen Gegnern und Befürwortern von Stuttgart 21 mit dem Bau seiner Variante zu lösen. Das sei besser als eine Volksabstimmung, "bei der es am Ende nur Sieger und Besiegte gibt", sagt Geißler.

Die Nachteile Es gibt keine wirkliche Planung zu SK2.2 - weder in eisenbahntechnischer noch in finanzieller Hinsicht. Der politische Willensbildungsprozess müsste jetzt angestoßen, danach eine konkrete Planung inklusive Finanzierungsvereinbarung gemacht werden. Alle Partner müssten einverstanden sein. Dann erst ginge das Projekt in jenes Raumordnungs- und Planungsverfahren, das Heiner Geißler zwar als Bürokratiemonster verabscheut, die Projektpartner aber als gesetzlich vorgegebenen Vorgang akzeptieren müssen. All das würde, vorsichtig geschätzt, etliche Jahre dauern. Nicht gelöst wären die bestehenden Probleme auf dem Gleisvorfeld des Kopfbahnhofs. Bestehen bliebe zudem ein Großteil der auch heute mit Gleisen belegten Flächen; die städtebaulichen Möglichkeiten, die Stuttgart21 bietet, wären dahin. Und in der geschätzten Investitionssumme von 2,5 bis 3 Milliarden Euro sind die Kosten für den Umbau und die Erneuerung des Kopfbahnhofs nicht enthalten.