Die Strategie von Daimler, sowohl zu sparen als auch gleichzeitig den Rückstand auf die Wettbewerber aufzuholen, droht zu scheitern. Michael Heller, Leiter der StZ-Wirtschaftsredaktion, kreidet dies dem Vorstandschef Dieter Zetsche an.

Stuttgart - Daimler und die Marke Mercedes-Benz gehören zum Inventar der deutschen Industrie, sorgen für Glanz auf Auslandsmärkten und sind für ganz Baden-Württemberg von kaum zu überschätzender Bedeutung. Auf solch eine Bilanz darf jeder im Unternehmen stolz sein; erst recht der Vorstandschef, für den daraus natürlich auch eine Verpflichtung für die Zukunft erwächst. „Das Beste oder nichts“, lautet unter Berufung auf Gottlieb Daimler die Losung von Dieter Zetsche, der seit fast sieben Jahren an der Spitze steht. Das also ist das Kredo, nachdem der Konzern unter seinen beiden Vorgängern erst ein integrierter Technologiekonzern und dann eine automobile Welt AG werden wollte. Edzard Reuter und Jürgen Schrempp sind bekanntlich gescheitert; Zetsche droht ein ähnliches Schicksal.

 

Der Chef hat lange darauf verzichtet, sein Unternehmen auf eine ambitionierte Strategie einzuschwören, womöglich aufgrund der schlechten Erfahrungen seiner Vorgänger. Keiner wusste bei Daimler, wohin das Unternehmen eigentlich will. Mittlerweile ist Gottlieb Daimlers Wahlspruch umgemünzt in die „Wachstumsstrategie 2020“. Zetsche will das Unternehmen auf all seinen Geschäftsfeldern auf den ersten Platz bringen: Egal wohin und wie schnell BMW und Audi fahren, Zetsche will sie überholen.

Der Abstand zu den Wettbewerbern wächst

Aufbruchstimmung hat der Chef mit dieser auftrumpfenden Art („Wir sind der Erfinder des Automobils“) freilich nicht erzeugen können. Wie auch? Noch mehr Hektik, noch mehr arbeiten, das ist keine Perspektive, die einen Motivationsschub bei den Beschäftigten auslöst.

Nun jedoch kommt es dick für Zetsche. Der Abstand zu den Wettbewerbern ist zuletzt sogar gewachsen, und die eigenen Gewinnziele werden wohl verfehlt. Was nun zu tun ist, ähnelt der Quadratur des Kreises. Daimler muss Gas geben und zugleich massiv sparen. Wie das gelingen soll, bleibt Zetsches Geheimnis. Zumindest müssen sich die Beschäftigten keine großen Sorgen machen. Sie sind vor Entlassungen und nach Zusagen des Vorstands wohl auch vor  Abfindungsprogrammen sicher. Umso mehr stellt sich jedoch die Frage, wo in den Zeiten einer sich abschwächenden Konjunktur die Gewinne herkommen sollen.

Auf den ersten Blick scheint es nun, als sei das Unternehmen in der Bredouille. Das ist aber gar nicht der Fall. Der Konzern ist profitabel, baut sehr gute Autos. Dass andere gegenwärtig besser sind, ist zwar bedauerlich, aber kein Fiasko. So ist eigentlich genug Zeit, sich mit der Frage zu beschäftigen, ob die Strategie stimmt. Immer ehrgeizigere Gewinnziele imponieren zwar grundsätzlich der Börse; und die Stimmung dort kann das Unternehmen nach dem Verlust des Großaktionärs Abu Dhabi nicht einfach ignorieren. Für einen Oberklasseanbieter wie Mercedes-Benz besteht aber ein natürlicher Konflikt zwischen dem Premiumanspruch und dem Wunsch nach höheren Gewinnen. Natürlich ist es verlockend, auf das Auto eines Massenherstellers den Mercedes-Stern zu kleben und dann einen Mercedes-Preis dafür zu verlangen. So wird etwa der Kleintransporter Mercedes Citan bisweilen als Renault Kangoo mit Stern wahrgenommen. Durchschauen die Kunden das Spiel, dann ist der Schaden gewiss größer als die Ersparnis.

Auf den ersten Blick scheint es nun, als sei das Unternehmen in der Bredouille. Das ist aber gar nicht der Fall. Der Konzern ist profitabel, baut sehr gute Autos. Dass andere gegenwärtig besser sind, ist zwar bedauerlich, aber kein Fiasko. So ist eigentlich genug Zeit, sich mit der Frage zu beschäftigen, ob die Strategie stimmt. Immer ehrgeizigere Gewinnziele imponieren zwar grundsätzlich der Börse; und die Stimmung dort kann das Unternehmen nach dem Verlust des Großaktionärs Abu Dhabi nicht einfach ignorieren.

Die Strategie sollte überprüft werden

Für einen Oberklasseanbieter wie Mercedes-Benz besteht aber ein natürlicher Konflikt zwischen dem Premiumanspruch und dem Wunsch nach höheren Gewinnen. Natürlich ist es verlockend, auf das Auto eines Massenherstellers den Mercedes-Stern zu kleben und dann einen Mercedes-Preis dafür zu verlangen. So wird etwa der Kleintransporter Mercedes Citan bisweilen als Renault Kangoo mit Stern wahrgenommen. Durchschauen die Kunden das Spiel, dann ist der Schaden gewiss größer als die Ersparnis.

Ein sinnentleertes „immer schneller, weiter, höher“ erinnert an Josef Ackermann, der als Chef der Deutschen Bank eine Eigenkapitalrendite von 25 Prozent als Ziel vorgeben wollte. Kurzfristig mag so manches erreichbar sein; langfristig führt die Maximierungsstrategie in die Sackgasse. Das wird durchaus auch an der Börse erkannt. Jedenfalls sind nicht alle Marktteilnehmer überzeugt, dass die Ziele von Daimler erreichbar sind. Der Aufsichtsrat, der bald über die Verlängerung von Zetsches Vertrag zu entscheiden hat, sollte noch weitergehen und auch die Strategie selbst kritisch unter die Lupe nehmen.