Peer Steinbrück hat wieder einmal keine gute Woche als Kanzlerkandidat der SPD hinter sich. Er kämpft zwar wacker, doch seine Genossen scheinen schon in Panik zu geraten, meint der StZ-Redakteur Thomas Maron. Und Steinbrück fehlt Entscheidendes.

Berlin - Unter sportlichen Gesichtspunkten dürfte Peer Steinbrück mittlerweile selbst jenen Respekt abnötigen, die ihn nicht wählen wollen. Um ihn herum spielen die Genossen verrückt, aber der Kanzlerkandidat zieht sein Ding durch, energisch, trotzig. Am Samstag und Sonntag wird er wieder versuchen, Siegesgewissheit auszustrahlen auf der Fußball-Fanmeile vor dem Brandenburger-Tor. Die SPD feiert ihre 150-jährige Geschichte. Das Gefühl, mit dem Steinbrück dieses Fest begeht, dürfte allerdings dem eines Mannschaftskapitäns gleichen, dessen Truppe zwar in der 80. Spielminute mit drei Toren im Rückstand liegt, der aber dennoch seinen Leuten das Gefühl vermitteln muss, in den verbleibenden zehn Minuten sei noch etwas zu reißen. Wer wollte da tauschen? Zumal seine Truppe dazu neigt, permanent aufs falsche Tor zu schießen.

 

Die vergangene Woche verlief für Steinbrück erneut katastrophal. Er hatte sich – wieder einmal – vorgenommen, Kanzlerin Angela Merkel inhaltlich zu stellen, und machte dabei eine der größten Schwachstellen der angeblich „erfolgreichsten Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“ (Merkel) aus. Die Energiepolitik will Schwarz-Gelb nicht gelingen, die Strompreise steigen, Union und FDP liegen über Kreuz. Was liegt da näher, als an dieser Stelle die Attacke zu wagen. Die Präsentation seiner Pläne nahm aber kaum einer mehr wahr, denn zu Wochenbeginn wurde bekannt, dass Parteichef Gabriel einen Konvent zwei Tage nach der Wahl plant.

Gibt Gabriel die Wahl schon verloren?

Dann ließ sich zu allem Überfluss der eigentlich schon in die Sphären der Altvorderen entrückte Franz Müntefering dazu herab, die Planung des Konvents für das breite Publikum zu deuten. Sollte Rot-Grün die Wahl gewinnen, wäre dieser Konvent überflüssig, so Müntefering. Heißt im Umkehrschluss: Gabriel gibt die Wahl nach Ansicht des Sauerländers schon verloren. Auch Günter Grass wollte noch etwas sagen. Der Nobelpreisträger meinte, ein neues Buch besser verkaufen zu können, indem er die SPD zu Lockerungsübungen gegenüber der Linken auffordert. Steinbrück, der mit der Linken niemals regieren würde, wird sich gefragt haben, wem die Herren Müntefering und Grass eigentlich einen Gefallen tun wollen: ihm oder Merkel?

Der Kandidat hat ohnedies Probleme genug. Münteferings Bemerkungen sind ja deshalb so schmerzhaft, weil sie schlicht stimmen. Steinbrück stolperte tatsächlich ohne Vorbereitung und ohne Team im vergangenen Herbst in die Kandidatur. Seitdem sucht er vergeblich nach einer Kampagne, die zu ihm und seinem Image als Finanzexperten und ökonomisch versiertem Weltversteher passt. Die Euro-Karte kann er schlecht spielen, denn der Kanzlerin ist es bisher gelungen, den Menschen zu suggerieren, das Gröbste sei vorüber. Es gibt gute Gründe, dies zu bezweifeln.

Die Themen passen nicht zu Steinbrück

Aber Steinbrück wagt es nicht, Merkel an dieser Stelle zu stellen, weil er dann leicht in die Rolle des mürrischen Miesmachers zu drängen wäre. Die Rolle des Bürgerrechtlers, der in der NSA-Affäre eine Lanze für die angeblich Ausgespähten bricht, steht ihm auch nicht gut zu Gesicht, zumal die SPD da vor der eigenen Tür zu kehren hätte. Deshalb versucht er sich weiter an sozialpolitischen Themen: Arbeit, Familie, Mietpreiserhöhungen, Energiepreise. Das mag zur SPD passen, aber nicht zu ihm.

Steinbrücks Vorwurf in der EU-Krise ist, dass Merkel keine Erzählung liefere, die den Menschen jenseits von Euro und Zinsschwankungen erklärt, weshalb Europa so wichtig ist. Das stimmt. Aber für Steinbrück gerät zur bitteren Pointe, dass diese Argumentationsfigur auch sein eigenes Problem am besten beschreibt. Steinbrück liefert keine Erzählung, die den Menschen erklärt, weshalb seine Kanzlerschaft so wichtig wäre. Seine Genossen tun ihr Übriges, dass ihm jeder Versuch, dies nachzuholen, bislang misslingt.