Wer im Thalys-Schnellzug von Köln nach Brüssel sitzt, erlebt zwei Welten: keinerlei Kontrollen in Deutschland, schwer bewaffnete Polizisten in Belgien. Neun Länder ziehen aus dem vereitelten Anschlag nun unterschiedliche Konsequenzen.

Brüssel - Wer am Wochenende im Thalys-Schnellzug von Köln nach Brüssel fuhr, erlebte zwei Welten: keinerlei Kontrollen in Deutschland, schwer bewaffnete Polizisten auf allen Bahnhöfen in Belgien. Die beiden EU-Nachbarländer hatten völlig unterschiedliche Konsequenzen aus der vereitelten Attacke eines schwer bewaffneten Islamisten im Thalys nach Paris vor einer Woche gezogen. Doch das soll sich bald ändern. Mehr gezielte Kontrollen und ein verbesserter Datenaustausch sollen die Sicherheit in europäischen Hochgeschwindigkeitszügen erhöhen. Dies kündigten Innen- und Verkehrsminister aus neun EU-Ländern nach einem Treffen am Samstag in Paris an.

 

Von gemeinsamen Standards im Bahnverkehr ist die EU jedoch auch nach diesem Krisentreffen noch meilenweit entfernt. Ausweis- oder Gepäckkontrollen solle es auch künftig nämlich nur da geben, „wo es notwendig ist“, sagte Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve. Bereits jetzt in den Zügen patrouillierende länderübergreifende Polizeistreifen sollten weiterentwickelt und verstärkt werden. Zudem soll ein Gutachten den Nutzen genereller Namenstickets in Hochgeschwindigkeitszügen prüfen. Solche auf den Inhaber ausgestellte Fahrkarten gibt es bereits jetzt im Eurostar zwischen Belgien und Frankreich nach London sowie auf französischen TGV.

Deutschland und andere EU-Länder wollen sie hingegen nicht einführen – jedenfalls nicht sofort. Dies betonten Innenminister Thomas de Maizière und Verkehrsminister Alexander Dobrindt nach dem Treffen in Paris. „Die Bahn ist ein offenes und frei zugängliches System. Das ist seine Stärke“, sagte Dobrindt. Deshalb denke die Bundesregierung nicht daran, ähnlich strikte Kontrollen einzuführen, wie sie auf Flugreisen üblich sind. Allein in Deutschland stünden fast 6000 Bahnhöfe nur 22 Flughäfen gegenüber, dies seien „enorme Unterschiede“, so Dobrindt. Man dürfe die Reisefreiheit nicht einschränken, ergänzte de Maizière.

Keine systematischen Grenzkontrollen

Systematische Grenzkontrollen wird es daher ebenso wenig geben wie Metallscanner an Bahnhöfen. Dies hatte die EU-Kommission nach dem vereitelten Thalys-Attentat vorgeschlagen, das nur durch den beherzten Einsatz von zufällig mitreisenden US-Soldaten glimpflich ausgegangen war. Die EU-Behörde hatte auch eine Videoüberwachung ins Gespräch gebracht. Doch das wurde nicht einmal diskutiert. Stattdessen wollen die EU-Länder nun den Datenaustausch verstärken – zunächst für verdächtige Personen, in einem zweiten Schritt aber wohl für alle Passagiere. Als Basis soll das umstrittene Passagierdatenregister (PNR) dienen, das bisher aber noch auf Bedenken im Europaparlament stößt. Neben Flugreisen könnten künftig auch Bahnreisen und sogar Hotelübernachtungen registriert werden. Das ist jedoch Zukunftsmusik. Ein „Big Brother“ für die Bahn droht vorerst nicht: „Wir wollen keine vollständige, flächendeckende Kontrolle“, betonte de Maizière in Paris. Er widersprach damit Cazeneuve, dem es ein Dorn im Auge ist, dass der mutmaßliche Thalys-Attentäter ungehindert von Berlin in die Türkei fliegen konnte. Spätestens beim nächsten Attentat dürfte die Debatte daher wieder von vorn beginnen – mit neuen, weiter gehenden Forderungen.