Ein Konzert wie eine Fahrt mit dem Niederrhein-Express. Die Band Erdmöbel macht das Theaterhaus zum Sambawagen für groovende Wortliebhaber.

Stuttgart - Wer sie zum ersten Mal trifft, hält Erdmöbel für Menschen, die irgendwie aus der Zeit gefallen sind. Nicht für Anachronisten, denn das hieße ja, dass sie das mit Absicht machen. So stehen sie am Mittwochabend im Saal T2 im Theaterhaus in ihren durchaus gut sitzenden, aber herrlich unmodischen Anzügen. Sänger Markus Berger blickt durch eine Brille, die nirgends und zu keiner Zeit cool war und es auch niemals sein wird, nicht einmal in Berlin. Er sieht einen Rang, auf dem die meisten Sitze hochgeklappt sind, was nicht daran liegt, dass so viele stehen, sondern daran, dass so wenige gekommen sind. Vielleicht sind es 150. Ein Publikum, das wie vom Diversity-Management gecastet wirkt. Ganz schön verschieden.

 

Dass es nur so wenige sind, wundert einen dann schon. Denn was man von den Wahlkölnern erwarten darf, konnte man in den vergangen Wochen und Monaten ja lesen. "Die beste deutschsprachige Band unserer Tage" (Süddeutsche Zeitung) nämlich oder zumindest "die Band der Stunde" (Hessische Allgemeine), auf jeden Fall aber "das beste deutschsprachige Album seit langem" (FAZ), "als hätten Gottfried Benn, Hans Christian Andersen und die Pet Shop Boys gemeinsam eine Band gegründet." (Zeit). Um es gleich zu sagen: Sie haben alle Recht.

Das, was niemand erwarten darf

Das, was man nicht erwarten durfte, hatte dankenswerterweise Friedemann Weise als Support-Act erklärt: "Keiner braucht deutsche Songwriter", sang der Liedermacher, der mit Sicherheit so wenig Liedermacher genannt werden will wie Erdmöbel Deutsch-Pop-Band. Denn das sind sie ja genau so wenig wie angeheiratete Verwandte der Hamburger Schule. Eher sind sie der Band-gewordene PeterLicht. Wie er benutzen sie Worte oft nur wegen des schönen Klangs und gucken dann, was passiert. Das ist mit dem Bandnamen ja nicht anders. Erdmöbel war in der DDR angeblich der Begriff für Sarg. Jetzt ist es einfach nur ein schönes Wort.

In der ersten Konzertstunde spielen die Erdmöbel Songs aus ihrem aktuellen Album "Krokus", die allesamt großartig sind - nur weiß man nie so genau, warum eigentlich. Es könnte an der Musik liegen, die auch live so entspannt daher kommt wie Herzrasen unter der Zeitlupe. Produzent Ekki Maas zupft seinen abgrundtiefen Bass, Christian Wübben sortiert sich so angenehm am Schlagzeug, dass es einem kaum auffällt, wie virtuos er spielt, Henning Beckmann verschafft der Posaune einen Popaltar, wie es sonst nur Element of Crime könnten, und Wolfgang Proppe produziert am Keyboard klingende Regentropfen, die an die Fensterscheibe des Niederrhein-Express prasseln, den Markus Berger besingt.

Glück im Hygienemuseum

Überhaupt der Niederrhein. Es dürfte wohl das erste Mal in der Musikgeschichte sein, dass der föderalistische Verwaltungsbegriff Nordrhein-Westfalen sinnhaft in einem Popsong untergebracht worden ist. Erdmöbel können das und sehen dem Sturm "Emma" zu, wie er über die Landschaft zwischen Duisburg und den Niederlanden fegt. Sie lassen Sorpe, Banfe, Schobse, Milz (das sind alles Flüsschen) tanzen und wiederholen die Formel "Ausstellung über das Glück im Hygienemuseum Dresden" so oft, bis auch der Letzte kapiert hat, wie absurd das eigentlich ist.

Dass das alles gar nicht akademisch verkopft oder traumwandlerisch romantisch wird, ist eigentlich ein Wunder. Denn sie können auch anders und bewegen das Publikum ("Seid ihr eigentlich Wutbürger? Wir schon!") am Ende sogar dazu, zwischen den Stuhlreihen zu tanzen. Grooven "in den Schuhen von Audrey Hepburn", schwoofen zu "Nah bei dir", das bei anderen "Close To You" hieß. Am Ende sind alle Tanzbürger. Um es mit den Erdmöbeln zu sagen: "Das Leben ist schön". Dieses Konzert war es auch.