Der Energiekonzern EnBW plant offenbar eine Zusammenarbeit mit Novatek, einem unabhängigen Konkurrenten von Gazprom.  

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Karlsruhe - Der Energiekonzern EnBW plant offenbar eine weit reichende Zusammenarbeit mit einem russischen Gasunternehmen. Wie die StZ aus unternehmensnahen Kreisen erfuhr, verhandeln die Karlsruher seit Monaten mit dem größten unabhängigen Gasförderer Russlands, der Firma Novatek. Die Gespräche würden von Konzernchef Hans-Peter Villis mit Nachdruck geführt und seien inzwischen weit fortgeschritten. Bei EnBW hieß es dazu lediglich "kein Kommentar", Novatek reagierte nicht auf eine Anfrage.

 

Villis erhofft sich von den Verhandlungen offenbar einen Durchbruch für seine Strategie, das Gasgeschäft des Konzerns auszubauen. Dies steht dem Vernehmen nach im Zusammenhang mit der Option, knapp 48 Prozent am drittgrößten deutschen Gasimporteur, der VNG in Leipzig, zu erwerben. Ob diese Möglichkeit wahrgenommen werde, sei "auf dem Prüfstand", hatte der Vorstandschef bei der Bilanzpräsentation im Februar gesagt. Eine Mehrheit an VNG kann die EnBW vorerst nicht erreichen, nachdem der russische Staatskonzern Gazprom seinen Anteil aufgestockt hat. Zugleich hatte Villis angekündigt, bis zum Jahresende über neue Gaslieferverträge zu entscheiden.

Der mögliche Partner Novatek wurde 1994 gegründet und gilt als kleiner, aber wendiger Herausforderer des Riesen Gazprom. Das Unternehmen erkundet, fördert und verarbeitet Gas und hält wichtige Förderlizenzen auf der Halbinsel Jamal. Bei Lieferverträgen innerhalb Russlands konnte es zuletzt gegenüber Gazprom Boden gutmachen. Der Novatek-Führung werden gute Kontakte zu Regierungschef Wladimir Putin nachgesagt. In Putins Anwesenheit wurde im März eine strategische Partnerschaft mit dem französischen Energiekonzern Total besiegelt. Total beteiligte sich zunächst mit gut 12 Prozent am Unternehmen und kann seinen Anteil auf knapp 20 Prozent aufstocken. Gazprom hat seine Beteiligung an Novatek dagegen nach Agenturberichten von 19 Prozent auf zehn Prozent reduziert.

Unklar ist, inwieweit Villis parallel auch mit anderen Gasunternehmen verhandelt; genannt wird etwa der norwegische Statoil-Konzern. Das Engagement von Novatek könnte den informierten Kreisen zufolge ein Volumen von 800 Millionen Euro haben. Zur Diskussion stehe auch die Gründung eines gemeinsamen Unternehmens oder eine Beteiligung an einer Tochterfirma, hieß es.

Politisch wäre diese Fusion heikel

Die Zusammenarbeit mit einem russischen Partner wäre politisch nicht unheikel. Den Einstieg des Landes bei der EnBW hatte die abgewählte schwarz-gelbe Landesregierung nämlich damit begründet, dass man unerwünschte ausländische Investoren fernhalten wolle. Dabei war in der Koalition immer wieder der Name Gazprom gefallen. Gazprom hatte jedoch betont, man habe kein Interesse an einer Beteiligung an der EnBW. Inzwischen haben sich die Russen mit dem ungleich größeren RWE-Konzern verbündet. Die Gespräche zwischen EnBW und Novatek sollen schon deutlich vor dem Wiedereinstieg des Landes begonnen haben.

Die grün-rote Regierung ist über die Pläne der EnBW offenkundig nur eingeschränkt informiert. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) nannte es vor Medienvertretern eine "spekulative Frage", wie das Land als Großaktionär eine Zusammenarbeit mit einem russischen Partner bewerten würde; diese könne er "nicht beantworten". Kretschmann verwies auf eine für Ende des Monats geplante Klausursitzung von Vorstand und Aufsichtsrat der EnBW, bei der über Strategiefragen beraten werden solle.

Das Treffen war bereits vor einigen Wochen geplant, aber wieder verschoben worden - unter anderem deshalb, weil die alten Regierungsvertreter im Aufsichtsrat damals noch nicht durch die neuen ersetzt waren. Zudem brauche man erst näheren Einblick ins Unternehmen, sagte der Regierungschef auf die Frage nach dessen Kapitalbedarf. Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD) betonte, ein Verkauf von EnBW-Anteilen stehe "nicht auf der Tagesordnung". Darum geht es in den Gesprächen mit Novatek auch nicht.