Die Atommeiler erwirtschaften den Großteil des Gewinns der EnBW. Daher möchte der Konzern, dass die Laufzeiten bestehen bleiben.

Stuttgart - Die Nachricht der Bundeskanzlerin dürfte bei der EnBW große Erleichterung und zugleich hektisches Treiben ausgelöst haben. Die längeren Laufzeiten für die deutschen Atomkraftwerke sollen nach der Nuklearkatastrophe in Japan lediglich für drei Monate ausgesetzt werden, dann dürfen die Meiler wieder ans Netz. Damit ist auch klar, dass die Anlage Neckarwestheim I der EnBW nur eine kleine Zwangspause einlegen muss, bevor sie wieder Atomstrom produzieren darf. Die EnBW teilte gestern - kaum dass die Kanzlerin die ersten Worte gesprochen hatte - bereits mit, dass sie der Politik "einen offenen Dialog zur Zukunft der sogenannten Altanlagen anbietet" und bereit sei, "alle Aspekte rund um die Zukunft dieser sicheren Anlagen zu diskutieren". Für die EnBW sei die Kernkraft kein "Selbstzweck", sondern "Teil einer sicheren, CO2-armen und bezahlbaren Energieversorgung", ließ Konzernchef Hans-Peter Villis via Mitteilung wissen.

 

Ein Aussetzen von Neckarwestheim I für drei Monate ist nach Ansicht von Branchenexperten für die EnBW verkraftbar. Der Versorger müsse zwar die sonst dort erzeugte Energie zukaufen, was mit höheren Kosten verbunden sei, auf lange Sicht blieben die Erträge aus dem Betrieb von Neckarwestheim I aber bestehen. Und das seien, so ein Unternehmenskenner, in jedem Jahr Millionen. Deshalb werde der Konzern mit Nachdruck darauf dringen, dass die Laufzeitenverlängerung grundsätzlich bestehen bleibe. Für die EnBW ist die Atomenergie seit jeher von zentraler Bedeutung. "Sie hängt wirtschaftlich geradezu an ihr", sagen Fachleute.

Der gesamte Unternehmenswert ergibt sich aus der Kernenergie

Noch immer stammen 90 Prozent des Konzerngewinns aus der Stromerzeugung, etwa drei Viertel davon erwirtschaftet die Kernenergie. Weder die Stromerzeugung aus anderen konventionellen Kraftwerken und Anlagen der erneuerbaren Energien noch das Netzgeschäft oder der Handel an der Leipziger Strombörse EEX sind für den Gewinn des Konzerns entscheidend, betont ein Insider. Der Jahresüberschuss des Energieversorgers lag im vergangenen Jahr bei 1,17 Milliarden Euro. "Die EnBW ist auf einen Ausstieg aus der Kernenergie überhaupt nicht vorbereitet", sagt der Unternehmenskenner. Weder sei Wachstum im Gasgeschäft erzielt worden noch habe der Konzern interessante Entwicklungschancen im Ausland realisiert. Der gesamte Unternehmenswert der EnBW ergebe sich deshalb aus der Kernenergieproduktion.

Das Land Baden-Württemberg, das inzwischen 45 Prozent an der EnBW hält, dürfte demnach kein Interesse daran haben, die Laufzeitverlängerung vollständig zurückzunehmen. Noch dazu will Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) den Landesanteil, den Baden-Württemberg Ende 2010 vom französischen Konzern Électricité de France (EdF) erworben hat, in einigen Jahren mit Gewinn wieder veräußern. "Eine EnBW ohne Kernkraft ließe sich jedoch noch schlechter verkaufen als eine EnBW mit Atomenergie", sagt ein Unternehmenskenner.

Der Grünen-Landtagsabgeordnete Franz Untersteller befürchtet angesichts des aktuellen Moratoriums Tricksereien. "Ich warne die EnBW davor, Strommengen von Neckarwestheim I auf neuere Anlagen zu übertragen, um deren Laufzeiten weiter zu verlängern", sagt er. Am 11. Januar waren die Reststrommengen, die die rot-grüne Bundesregierung der Anlage Neckarwestheim I laut Ausstiegsvereinbarung zugestanden hat, verbraucht. Wegen der Laufzeitverlängerung ist das Kraftwerk weitere acht Jahre am Netz.