Nicht einmal beim Schüleraustausch sieht der ukrainische Botschafter Möglichkeiten, das Reisen auf die Krim zu ermöglichen. Betroffen sind in Baden-Württemberg die Städte Ludwigsburg, Heidelberg und Baden-Baden.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Ludwigsburg - Andrij Melnyk und Christine Süß verbindet eine gemeinsame Leidenschaft. Beide lieben die Krim. Der Ukrainer hat dort seine Flitterwochen verbracht und ist auch danach ein begeisterter Krim-Urlauber geblieben. Christine Süß ist bei der Stadt Ludwigsburg für die Städtepartnerschaften zuständig. Eine der lebendigsten ist – oder muss man sagen: war – die nach Jevpatorija. Die Stadt liegt auf der Krim. Damit hören die Gemeinsamkeiten zwischen Melnyk und Süß aber schon auf, denn Melnyk ist Botschafter der Ukraine in Deutschland. Natürlich steht er hinter den Sanktionen, die die EU nach der Annexion der Krim im März 2014 gegen Russland verhängt hat.

 

Christine Süß hat gegen die Sanktionen verstoßen, als sie 2015 zusammen mit anderen als Privatperson auf die Krim gereist ist, um den 25. Geburtstag der Städtepartnerschaft zu feiern. Melnyk ist Gast des Ludwigsburger Freundeskreis Jevpatorija und weiß, was auf ihn zukommt. Auch Heidelberg und Baden-Baden haben mit Simferopol und Jalta Partnerstädte auf der Krim. Wie in Ludwigsburg ruhen die offiziellen Beziehungen. In allen Städten gibt es jedoch Freundeskreise, die den Kampf gegen Windmühlen aufgenommen haben.

„Wir lassen uns die Besuche bei Freunden nicht verbieten“

Verbindlich im Ton, aber hart in der Sache tritt Melnyk auf. Dass die Krim völkerrechtlich zur Ukraine gehört, zweifelt am Dienstagabend niemand an. Dennoch kann der Botschafter nicht punkten. Seit 1990 gibt es den Verein und die Städtepartnerschaft. Nicht nur dessen Vorsitzender Ulrich Hebenstreit setzt auf die direkte Begegnung mit Menschen. Für die Anwesenden ist gerade das der Sinn einer solchen Beziehung. Der Verein sucht deshalb die menschliche Ausnahmeregelung im großen Politiksetting. Keiner will begreifen, dass gewachsene Freundschaften nun unter die EU-Sanktionen fallen. „Wir lassen uns Besuche bei Freunden nicht verbieten“, so Hebenstreit.

Wenn Melnyk vom schwierigen Reisen auf die Krim redet, argumentiert er mit dem Völkerrechtsbruch, den Russland begangen habe. Man dürfe die Sanktionen nicht aufweichen. Für ihn gibt es nur einen Weg auf die Krim. Er führt über Land durch die Ukraine. Offizielle Kontakte auf der Krim seien verboten. Da Lehrer in Regierungsdiensten stünden, gelte das Verbot auch für den Schüleraustausch. Das mag niemand im Raum verstehen. Die Begegnung junger Menschen ist für die, die diese Freundschaft als Versöhnung nach den Gräuel des Zweiten Weltkriegs verstehen, der Inbegriff von Friedensarbeit.

Einreiseverbot in die Ukraine

„Wo führt das hin, wenn man einmal eine Ausnahme macht“, fragt Melnyk in den Raum. Weil alle mit dem Flugzeug via Moskau auf die Krim gereist sind, stehen sie für Melnyk nun in einer Reihe mit der Technoband Scooter, die in Juni in Sewastopol aufgetreten ist. Gegen sie läuft ein Strafverfahren. Das läuft gegen Süß und die anderen nicht. Aber sie dürfen nicht in die Ukraine einreisen. Dabei müsste Süß dringend nach Seimeny. Seit 61 Jahren gibt es die Patenschaft Ludwigsburgs zu der ehemals bessarabischen Stadt in der Ukraine. Vielleicht entsteht dorthin eine neue Partnerschaft. „Jahrzehnte haben wir den Menschen in der Ukraine so viel Gutes getan“, sagt Ottomar Schüler, der Sprecher der Bessarabier, „ und nun soll diese Völkerverständigung nicht mehr gelten?“ Jevpatorija gehörte noch zur Sowjetunion, als die Partnerschaft begann.