Wer wird CDU-Spitzenkandidat bei der Landtagswahl? Auf der zweiten Regionalkonferenz in Göppingen wird Guido Wolf nicht von Strobl-Anhängern gestört und kann zum Rivalen aufschließen. Ansonsten herrschen widrige Bedingungen.

Göppingen - Thomas Strobl findet gerade wieder einmal nicht den Schlusspunkt, da winkelt Guido Wolf den Arm an, senkt den Blick, zupft an seinem Jackett und schielt auf das frei gelegte Chronometer. 20.34 Uhr. Aber noch ist lange nicht Schluss. Dabei gäbe es jetzt angenehmere Aufenthaltsorte als diese kalte Sportarena – Einheimische behaupten, man befände sich in der „Hölle Süd“ –, in der ansonsten die Handballer von Frisch Auf Göppingen ihren Gegnern einen heißen Empfang bereiten.

 

Wolf könnte vielleicht vor dem Fernsehgerät das Spiel der Nationalmannschaft, Fachrichtung Fußball, gegen Gibraltar anschauen. Erst im Nachhinein zeigt sich: der Kick vermochte die Herzen ebenfalls nicht zu wärmen. Wolf könnte aber auch in Stuttgart beim Landespresseball warm sitzen, wild tanzen, herzhaft essen, kultiviert trinken – nüchtern betrachtet alles schönere Beschäftigungen als zusammen mit Thomas Strobl die Fragen aus den Reihen der 750 CDU-Mitglieder zu beantworten.

Antworten, die der Parteibasis helfen sollen, ihrerseits die Frage zu klären, welchem der beiden Bewerber sie die Spitzenkandidatur für die Landtagswahl 2016 anvertrauen sollen: Wolf oder Strobl, dem Landtagspräsidenten oder dem Landesparteichef. Strobl redet immer noch über Bildungspolitik und sucht vergeblich nach dem Schlusspunkt, gerade verharrt er bei der Mengenlehre. Wolf steht wieder gerade und schaut würdig und ernst über die Stuhlreihen hinweg.

Wolf brennt, das Publikum hat kalte Füße

Der Parlamentspräsident und der Landesparteichef sind sehr wahrscheinlich die einzigen, denen bei dieser zweiten von insgesamt sechs Regionalkonferenzen richtig warm ist. Erstens hat Wolf in seiner Rede gerade erst erklärt, er habe zwar niemals an den Gitterstäben der Villa Reitzenstein gerüttelt, brenne aber darauf, als Ministerpräsident viel Gutes zu tun für Baden-Württemberg. Zweitens richten sich zahlreiche Scheinwerfer auf die Duellanten. Das heizt auf, wenn auch nur die Bühnendarsteller.

Wie 24 Stunden zuvor in Sinsheim (Rhein-Neckar-Kreis) bestimmt auch diesmal das Los den Landtagspräsidenten als ersten Redner. In Sinsheim hatte sich dies als eher ungünstig für Wolf erwiesen. Einen lärmenden Pulk Strobl-Fans unmittelbar vor sich, hetzte der – so die Selbstauskunft – „Wolf im Revier“ hektisch durch sein Redemanuskript wie ein von Jägern verfolgtes Reh. Diesmal macht er es aber deutlich besser. Was er später damit erklärt, dass er den Text umgestellt habe und nur noch Stichworte und Satzteile notierte. Das hielt ihn davon ab, nur abzulesen.

Thomas Strobl wiederum vermag sein gutes Sinsheimer Redeniveau cum grano salis zu halten, so dass dem rhetorischen Auftaktsieg des Parteichefs in Göppingen ein Remis folgt. In der anschließenden Fragerunde antwortet Wolf knackiger und kürzer. Das schätzt das Publikum, wenn die Füße kalt sind.

„Mein Arbeitsplatz war immer Baden-Württemberg“

Wolf sagt: „Meine Zukunftsvision ist eine Gesellschaft der Mitte.“ Einem solchen Ansinnen kann schwerlich widersprochen werden. Er grenzt sich von Strobl, der in der Landespolitik immer als Bundespolitiker wahrgenommen wurde, mit dem Hinweis auf seine kommunalen Wurzeln als Erster Bürgermeister in Nürtingen und als Landrat in Tuttlingen ab. „Mein Arbeitsplatz war immer Baden-Württemberg.“ Bei dieser Textpassage erinnert er stets, ohne den Namen zu nennen, an den in der Partei in Ehren gehaltenen Erwin Teufel. Es habe im Land früher schon Ministerpräsidenten mit kommunaler Verankerung gegeben, sagt Wolf. Und er beteuert: „Ich werde ein Ministerpräsident sein, der Gräben zuschütten, der integrieren kann.“

Strobl ist Bundespolitiker, eine Eigenschaft, die in der Landespolitik mitunter auf Abwehr stößt: „Die in ihrem Treibhaus in Berlin . . .“ Strobl kontert solche Vorbehalte mit dem Hinweis, dass „in Berlin und Brüssel viele für uns wichtige Entscheidungen getroffen“ würden. „Baden-Württemberg ist keine Insel.“ Und er nimmt für sich in Anspruch, die Partei nach der letztlich nicht für möglich gehaltenen Niederlage 2011 zusammengehalten zu haben.

Beide, Strobl wie Wolf, vereint die Stoßrichtung gegen Grün-Rot: die Bildungspolitik, die innere Sicherheit und der Straßenbau. Strobl sagt: „Wer auf einem so zentralen Feld wie der Bildungspolitik versagt, versagt auf der ganzen Linie.“ Wolf sagt: „Ein Verkehrsminister, der hundert Millionen Euro versemmelt, wäre bei mir nicht mehr im Amt.“ Strobl sagt: „Wir in der CDU verstehen etwas von innerer Sicherheit.“ Mehr Stellen für die Polizei verspricht er gleich dazu.

Die Fragerunde als Stimmungsaufheller

Die Fragerunde beschert den beiden schnell einen Stimmungsaufheller. Eine Lehrerin erklärt, viele Kollegen seien bereit, ihren „Fehler bei der Wahl 2011 zu korrigieren“. Das freut das christdemokratische Herz. Die Lehrerin fügt hinzu, sie benötige allerdings klare Aussagen darüber, „welche Schularten werden haben Bestand, welchen Bestandsschutz erhalten sie“. Die Antwort: Die Gemeinschaftsschulen werden nicht abgeschafft, sie dürfen sich weiterentwickeln, die Bevorzugung der Gemeinschaftsschulen hat ein Ende. Doch können die Reformen von fünf Jahren Grün-Rot nicht allesamt ungeschehen gemacht werden. Wolf fügt an: „Und auch wir werden uns angesichts der Geburtenzahlen von der Dreigliedrigkeit verabschieden.“

Auf mögliche Koalitionspartner angesprochen, betonen Strobl wie Wolf die Eigenständigkeit der CDU. Wolf sagt: „Wir machen keine Politik gegen die FDP, aber ich bin da Schwabe, mir geben nix, auch nicht an die FDP.“ Die Christdemokraten, so scheint es, haben ihren einstigen Wunschpartner aufgegeben.

Dann wir es leer in der „Hölle Süd“. Wolf sagt, er trinke noch ein Bier. Vermutlich ein kühles. Allen anderen sehnen sich nach einer Tasse heißen Tee.