Im Prozess um den Bankrott und Millionenbetrug bei der gemeinnützigen Stiftung Nestwerk hat die ehemalige Stuttgarter Sozialbürgermeisterin Müller-Trimbusch ausgesagt.

Stuttgart - In dem Prozess um die Pleite und den mutmaßlichen Millionenbetrug bei der gemeinnützigen Stiftung Nestwerk, der seit drei Wochen vor dem Landgericht Stuttgart verhandelt wird, hat eine prominente Frau auf dem Zeugenstuhl Platz genommen. Gabriele Müller-Trimbusch, von 1990 bis 2010 Sozialbürgermeisterin im Stuttgarter Rathaus, sagt, sie habe bei Nestwerk keine Warnsignale wahrgenommen.

 

„Anfang der Neunziger Jahre ist die Stiftung auf die Stadt zugekommen. Man wollte Obdachlosigkeit beseitigen“, so Müller-Trimbusch. Das sei sehr willkommen gewesen, da die Stadt wegen der Haushaltskonsolidierung dafür keine finanziellen Mittel gehabt habe. „Mir erschien die Konstruktion der Stiftung mit schlanken Strukturen gut“, so die ehemalige Kommunalpolitikerin der FDP.

Angeklagt ist der damalige hauptamtliche Vorstand der Stiftung. Dem 70-Jährigen wird vorgeworfen, er habe rund 1,8 Millionen Euro an Stiftungsgeldern veruntreut und mit gefälschten Unterlagen 9,2 Millionen Euro an Darlehen für die Stiftung erschlichen. Der Angeklagte hat bereits ein umfassendes Geständnis abgelegt.

Die Ex-Bürgermeisterin wusste nichts

Bei den ergaunerten Bankdarlehen kommt Gabriele Müller-Trimbusch, die damals dem Kuratorium der Stiftung vorstand, mittelbar ins Spiel. Der Vorsitzende Richter fragt die 72-Jährige, ob sie beispielsweise ein Dokument unterschrieben habe, in dem die Stadt der Stiftung im Juni 2010 die Übernahme von Betriebskosten von mehreren Hunderttausend Euro garantiert. Unter anderem mit diesem Schreiben war der Angeklagte bei einer Bank vorstellig geworden. „So ein Dokument hätte ich gar nicht unterschreiben können“, sagt die Ex-Bürgermeisterin. Bei solchen Summen hätte dies über die Finanzverwaltung der Stadt laufen müssen.

Der Angeklagte hat bereits gestanden, die Unterschrift Müller-Trimbuschs auf mehreren Schreiben gefälscht zu haben, um den Banken Sicherheiten für Kredite vorlegen zu können. Auch die Tatsache, dass sowohl die Ehefrau wie auch der Sohn des angeklagten Ex-Nestwerk-Vorstands bei der Stiftung fest angestellt waren, habe sie nicht irritiert, so Müller-Trimbusch. „Sie haben ihre Arbeit gut gemacht.“ Sie sei aber nicht in die tägliche Arbeit der Stiftung eingebunden gewesen, sagt die Zeugin. „Ich habe den Kontakt zum Baurechtsamt, zum Liegenschaftsamt und zum Amt für Wohnungswesen mit seiner Notfallkartei für Wohnungssuchende hergestellt.“ Ansonsten habe sie immer wieder einmal ein fertiggestelltes Haus der Stiftung einweihen dürfen, sagte Gabriele Müller-Trimbusch.

Der Angeklagte spricht von Größenwahn

In den ersten zwei Prozesstagen hatte der Angeklagte bildlich gesprochen die Hosen heruntergelassen. Er sei einer Art Größenwahn aufgesessen, so der ehemalige Vorstand. 1994 war die Stiftung angetreten, um Wohnraum für die Ärmsten in der Stadt zu schaffen. Zwischen 2007 und 2010 soll der 70-Jährige mit rund 100 Schecks, basierend auf gefälschten Belegen, 650 000 Euro vom Stiftungskonto abgehoben haben – für private Zwecke. Desweiteren habe er Frau und Sohn mit Autos versorgt, seinen Sohn gratis in einer Nestwerk-Wohnung leben und private Dienstleistungen von der Stiftung bezahlen lassen.

Bereits 2008 sei die Stiftung überschuldet gewesen, so der Staatsanwalt. Der Angeklagte hatte erst 2010 Insolvenz angemeldet. Die Bücher seien so geführt worden, dass die tatsächliche, sprich die desaströse Situation nicht erkennbar gewesen sei. Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft auch gegen die Frau des 70-Jährigen und den ehrenamtlichen Nestwerk-Vorstand ermittelt. Die Frau ist verstorben, der Vorstand verhandlungsunfähig.