Lockerungsübungen, um offen zu sein für ungewohnte Koalitionen – das erwartet Ex-Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) von den etablierten Parteien nach der Landtagswahl.

Tübingen - Der Aschermittwoch ist für Günther Oettinger (CDU) für die Landtagswahl von großer Bedeutung. „Erst danach werden viele Wähler realisieren, dass am 13. März gewählt wird“, schätzt der EU-Kommissar die Lage in Baden-Württemberg ein. Der ehemalige Ministerpräsident glaubt zu wissen, was anschließend in den Köpfen der Wähler vorgeht: „Sie werden sagen, den Kretschmann kennen wir und sich dann fragen, wer ist dessen Gegner?“ So beschäftigten sich manche erstmals mit Guido Wolf, dem CDU-Spitzenkandidaten. „Zwischen diesen beiden wird Nils Schmid untergehen“, meinte Oettinger am Freitag vor dem Tübinger Presseclub über die Chancen der SPD und ihren Spitzenkandidaten. „Tut mir leid für ihn“, setzte er süffisant hinzu.

 

CDU und Grüne als stärkste Parteien

Im Landtag sieht er die CDU als stärkste Partei vor den Grünen, abgeschlagen SPD, AfD und die FDP. Den vier etablierten Parteien rät er nach der Wahl offen zu sein für alle möglichen Koalitionen. „Ich rate allen zu Lockerungsübungen, schließlich müssen sie mit dem Ergebnis leben“, hält der CDU-Politiker fest, der sich bei sieben bis acht Wahlversammlung an Wochenenden selbst in den Wahlkampf einbringen will. Falls die AfD ins Landesparlament einzieht, hätte Grün-Rot ebenso wenig eine Chance wie Schwarz-Gelb. „Schwarz-Grün wäre die große Koalition, Schwarz-Rot die kleine“, leitet der 62-Jährige aus seiner Wahlprognose ab. Gespannt ist er, ob die FDP vor der Wahl eine Koalition mit SPD und Grünen doch noch ausschließt. „Das könnte ihr CDU-Stimmen bringen.“

Dass die CDU derzeit bei Umfragen nur im Bereich von 34 Prozent liegt, überrascht den Europapolitiker nicht. Zum einen spielten bundespolitische Themen eine große Rolle, zum anderen verliere vor allem die CDU als mutmaßlich stärkste Partei die meisten Stimmen an die AfD. „Sorgen und Unzufriedenheit mit der aktuellen Entwicklung schlagen sich im AfD-Ergebnis nieder“, sagt Oettinger voraus. Zu ihren Wählern zählt er auch einen harten Kern an Rechtsextremisten, die nur zur Wahl gingen, wenn sie Chancen sehen, dass eine Partei wie die AfD die Fünf-Prozent-Hürde überspringt und in den Landtag einzieht. „Das war früher bei den Republikanern genauso“, setzt er seine Einschätzung fort.

Schlepperboote am Ablegen hindern

Zu aktuellen politischen Themen befragt, hofft er, dass es mithilfe des europäischen Rates und erheblichen finanziellen Mitteln der EU-Länder gelingen wird, Flüchtlinge aus Bürgerkriegsländern menschenwürdig unterzubringen. „Bestenfalls wird das Ablegen von Schlepperbooten verhindert“, sagt er. „Das geht nur mit Booten“, ergänzte Oettinger mit Blick auf eine europäische Grenzpolizei mit operativen Befugnissen.