Der Wirtschaftsmathematikstudent Florian Haller fordert bei der Bürgermeisterwahl in Leutenbach den Amtsinhaber Jürgen Kiesl heraus. Kiesl konnte bei den Kandidatenvorstellungen indes durch klare Aussagen überzeugen.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Leutenbach - Ob er seinen Herausforderer für einen ernsthaften Kandidaten hält, will ein Besucher der offiziellen Vorstellung der Bewerber auf den Leutenbacher Rathauschefposten am Dienstagabend in der Rems-Murr-Halle von dem Amtsinhaber wissen. „Das ist eine Frage, mit der ich, ehrlich gesagt, nicht gerechnet habe“, gibt Jürgen Kiesl zu, der ansonsten um Antworten nicht verlegen ist. Seit 16 Jahren ist der Verwaltungsprofi nun Bürgermeister in Leutenbach, und er will zum dritten Mal gewählt werden, das ist sicher. Ob sein Herausforderer tatsächlich scharf auf einen Wahlsieg ist, das hingegen bezweifeln offensichtlich einige der Anwesenden.

 

Ein Jux-Kandidat ist Florian Haller aber nicht, der am 26. April, dem Wahlsonntag, seinen 27. Geburtstag feiert. „Wer ist dieser Florian Haller? Warum tritt er zur Wahl an und dazu noch gegen den seit 16 Jahren amtierenden Bürgermeister?“ Mit diesen rhetorischen Fragen leitet der eloquente Wirtschaftsmathematikstudent seine Vorstellungsrede ein. Jeweils 15 Minuten haben beide Kandidaten dazu vom Wahlausschuss zugebilligt bekommen.

„Durch die Erfahrung der letzten Tage habe ich festgestellt, wie überraschend für viele meine Kandidatur war“, sagt Haller. „Als 18-jähriger Neuwähler war ich vor acht Jahren erschrocken, dass es keine Alternative gab.“ Der einzige Gegenkandidat war damals ein Rechtsextremer, dessen Motivation wohl mehr darin lag, seine Splitterorganisation bekanntzumachen. „Acht Jahre später erklärte sich gar niemand bereit, sich als Kandidat aufzustellen. Eine Wahl ohne Gegenkandidat ist meiner Meinung nach aber keine richtige Wahl. Deshalb entschloss ich mich kurz vor Ende der Frist, meine Unterlagen abzugeben und den Wählern eine Alternative anzubieten“, so Haller.

Dieser ist zusammen mit seiner Freundin und seinen Eltern, die seit 30 Jahren in Leutenbach leben, zu der Vorstellungsrunde gekommen. Geboren und aufgewachsen in Leutenbach, besuchte Florian Haller das Georg-Büchner-Gymnasium in Winnenden, wo er 2008 das Abitur machte. Nach dem Zivildienst in der Wohnstätte „Blaue Arche“ der Paulinenpflege studierte er in Passau das interdisziplinäre Fach European Studies mit der Fächerkombination Geschichte, Betriebswirtschaftslehre und Recht, das er mit der Gesamtnote 1,7 abschloss. Nun hat er ein Studium der Wirtschaftsmathematik in Augsburg begonnen und lebt mit seiner Freundin in München. „Sollte ich gewählt werden, unterbreche ich das Studium selbstverständlich.“

Hallers Kandidatur hat zumindest schon einen demokratischen Erfolg zu feiern: Die öffentliche Kandidatenvorstellung wäre sonst nicht zustande gekommen – und damit die Möglichkeit der Wähler, die Bewerber zu befragen. „Ich freue mich, dass so viele, statt auf der Terrasse zu sitzen, an diesem schönen Abend hierher zu diesem Festtag der Demokratie gekommen sind“, sagt Jürgen Kiesl. Seiner Meinung nach hätten es auch noch einige mehr sein können, bemerkt der amtierende Bürgermeister zu Beginn seiner Rede. Diese dauert exakt 15 Minuten, in die der 49-Jährige alles hineinpackt, was er in 16 Jahren an Erfolgen vorweisen kann – was nicht wenig ist.

Beide Kandidaten eint, dass sie auf eine möglichst große Wahlbeteiligung hoffen. Am 26. April sind die Leutenbacher zur Wahl aufgerufen.