FDP-Mitglieder sehen nach Lindners Rücktritt ihre Partei in Lebensgefahr. Doch es gibt schon Gerüchte um einen Nachfolger für das Amt des Generalsekretärs.  

Berlin - Der überraschende Rücktritt von FDP-Generalsekretär Christian Lindner verschärft die Existenzkrise der Partei und setzt ihren Vorsitzenden Philipp Rösler massiv unter Druck. Der Vizekanzler bedauerte Lindners Schritt am Mittwoch in Berlin bei einem kurzen Auftritt in der Parteizentrale in Berlin und erklärte demonstrativ, die FDP werde geschlossen in das nächste Jahr ziehen. Das Verhältnis von Lindner und Rösler gilt seit längerem als angespannt. Eine Begründung für seinen Rückzug nannte Lindner nicht.

 

Rösler deutete eine Entscheidung über Lindners Nachfolge bis Freitag an. Im Gespräch ist FDP-Bundestagsfraktionsvize Patrick Döring (38). Ferner werde erwogen, den Haushaltsexperten der Fraktion, Otto Fricke, dann zum Schatzmeister zu machen, berichteten die „Saarbrücker Zeitung“ und die „Rheinische Post“. Rösler sagte: „Jetzt werden wir (...) nach vorn schauen.“

Stellungnahme abgelehnt

Regierungssprecher Steffen Seibert lehnte eine Stellungnahme zu den möglichen Auswirkungen des Rücktritts auf die schwarz-gelbe Koalition von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ab. Das Kabinett habe sich nicht mit Lindners Entscheidung befasst, sagte Seibert. „Das Bundeskabinett konzentriert sich auf die Arbeit der Bundesregierung. Damit hat der Rücktritt nichts zu tun.“

Lindner sagte: „Es gibt den Moment, in dem man seinen Platz frei machen muss, um eine neue Dynamik zu ermöglichen. Die Ereignisse der letzten Tage und Wochen haben mich in dieser Einschätzung bestärkt.“ Er verließ das Rednerpult im Thomas-Dehler-Haus, der Parteizentrale, mit den Worten: „Auf Wiedersehen.“ Wie Rösler beantwortete er keine Fragen.

Lindner galt neben Rösler und Gesundheitsminister Daniel Bahr nach der Ära von Parteichef Guido Westerwelle als Strippenzieher der neuen Führung. Zuletzt war er jedoch im Zusammenhang mit der Organisation des Mitgliederentscheids zum Euro-Rettungsschirm ESM stark in die Kritik geraten. Wie Rösler hatte Lindner den Entscheid bereits am Wochenende - vor Ablauf der Frist - für gescheitert erklärt.

Lebensgefahr für die FDP

Der frühere FDP-Innenminister Gerhart Baum forderte in mehreren Medien den Rücktritt des ganzen FDP-Präsidiums und sagte, die Partei sei noch nie zuvor in solcher Lebensgefahr gewesen. In diesem Jahr flog sie aus mehreren Landtagen und liegt im Bund laut Umfragen deutlich unter fünf Prozent. In den vergangenen Tagen gab es Spekulationen über einen Rücktritt von Rösler selbst, was aber von führenden FDP-Politikern zurückgewiesen wurde.

Rösler steht seit seinem Amtsantritt im Mai unter Beschuss. Damals hatte er angekündigt, die FDP werden nun „liefern“. Die damit geweckten Erwartungen konnte er bislang aber nicht erfüllen. Rösler hatte vor Lindners Rücktritt der „Passauer Neuen Presse“ gesagt: „Mit mir als FDP-Chef wird es keine Verschiebung der Grundachse der FDP geben. Da habe ich die ganze Führungsmannschaft hinter mir.“

Lindners Rücktritt stürzt die Liberalen nach Ansicht des Kieler Fraktionschefs Wolfgang Kubicki in eine Führungskrise. Er befürchte jetzt weitere Personaldebatten, sagte Kubicki der Deutschen Presse-Agentur dpa in Kiel. „Das ist etwas, was wir jetzt eigentlich am wenigsten gebrauchen können.“ In Schleswig-Holstein ist am 6. Mai 2012 Landtagswahl. Das Abschneiden der FDP dort gilt auch als entscheidende Wegmarke für die FDP im Bund. Die stellvertretende FDP-Vorsitzende Sabine Leutheusser- Schnarrenberger sagte, Lindners Rücktritt sei ein „Schock für die FDP“. Die Partei sei in einer sehr schwierigen Situation.

"Rösler ist der Totengräber der FDP"

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte: „Rösler ist der Totengräber der FDP. Er hat den wahren Liberalismus heimatlos gemacht.“ Statt Lindner hätte Rösler zurücktreten müssen. „Er ist der Kopf einer jungen Führungsriege, die gescheitert ist. Lindner ist der erste, der Konsequenzen aus dem Scheitern der neuen Führungsriege zieht.“ Grünen-Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke meinte: „Der Rücktritt von Herrn Lindner beschleunigt die Selbstzerstörung der FDP.“

Euro-Rebell Frank Schäffler geht von einem Erfolg der Euro-Skeptiker beim Mitgliederentscheid über den Euro-Rettungsschirm aus. „Ich bin optimistisch, was das Ergebnis betrifft. Ich glaube, wir werden am Ende, unabhängig vom Quorum, 60 zu 40 vorne liegen“, sagte er dem Fernsehsender Phoenix. Schäffler betonte, es gehe ihm bei dem Entscheid um Basisdemokratie und Sachfragen. „Es wäre falsch, jetzt über Personen zu reden, da überhöht man diese ganze Geschichte.“