Nach dem Lokführer-Streik am Montagabend sind am Dienstag die S-Bahnen in der Region Stuttgart wieder planmäßig unterwegs gewesen. Der Verkehrsclub Deutschland kritisiert die irreführende Öffentlichkeitsarbeit der Gewerkschaft der Lokomotivführer.

Stuttgart - Nach dem dreistündigen Warnstreik der Lokführergewerkschaft (GDL) am Montagabend ist der S-Bahnverkehr in der Region am Dienstagmorgen nach Angaben der Bahn wieder reibungslos verlaufen. „Alle S-Bahnen waren auf allen Linien planmäßig unterwegs“, erklärte ein Bahnsprecher. Im Regionalverkehr sei der eine oder andere Zug mit weniger Wagen als üblich unterwegs gewesen. Ausfälle habe es Dienstag früh nur im Fernverkehr gegeben, weil zwei IC gestrichen werden mussten.

 

Bei dem Ausstand am Montagabend war – wie berichtet – der gesamte S-Bahn-Verkehr in der Region zum Erliegen gekommen. Kurz nach 18 Uhr hätten die streikenden Lokführer eine Reihe von S-Bahnen an strategisch wichtigen Punkten im gesamten Netz abgestellt, hieß es bei der Bahn. So stand etwa in der Haltestelle Feuersee im Westen ein führerloser S-Bahn-Zug der Linie 3 nach Backnang. Nach dem Ende des Ausstands gelang es der Bahn aber, alle S-Bahn-Züge wieder in die Depots und Betriebshöfe zu bringen.

TGV nach Paris bleibt stehen

Im Hauptbahnhof blieb auch ein TGV, der am Montag um 18.40 Uhr nach Paris hätte fahren sollen, am Bahnsteig stehen. „Wir haben die Fahrgäste des Hochgeschwindigkeitszuges in Hotels untergebracht“, hieß es bei der Bahn. An Kunden, die in Stuttgart gestrandet waren, seien insgesamt 163 Taxi- und Hotelgutscheine ausgegeben worden. In der Bahnhofshalle bildete sich kurz nach dem Beginn des Ausstands eine lange Schlange vor dem Serviceschalter, weil auch im Fern- und Regionalverkehr stundenlang so gut wie nichts mehr ging.

Da es von der Gewerkschaft nur vage und widersprüchliche Angaben über den Arbeitskampf gegeben habe, habe man sich kaum vorbereiten können, sagte ein Bahnsprecher. Das Stuttgarter Kundencenter habe in knapp zwei Stunden zahlreiche telefonische Beschwerden von empörten Fahrgästen entgegengenommen. „Wir konnten den meisten Kunden aber vermitteln, dass die GDL für ihre Probleme verantwortlich ist.“ Die Lokführergewerkschaft habe zunächst der Öffentlichkeit vermittelt, dass der Ausstand hauptsächlich den Güterverkehr treffen sollte. Erst kurz vor Beginn des Arbeitskampfes sei klar geworden, dass auch der Personenverkehr massiv betroffen sein würde. „Deshalb wurden viele ahnungslose S-Bahn-Pendler von dem Ausstand überrascht“, so die Bahn. Heutzutage könne man keinesfalls davon ausgehen, dass jeder Pendler um 18 Uhr zu Hause sei, hieß es beim Fahrgastverband Pro Bahn.

Informationen der Gewerkschaft in der Kritik

Auch der Verkehrsclub Deutschland (VCD) äußerte sich am Dienstag kritisch zum Streikablauf. „Wir haben Verständnis dafür, dass die Mitarbeiter der Bahn für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen“, sagte der VCD-Landesvorsitzende Matthias Lieb. „Die GDL muss sich aber gut überlegen, ob sie die Bahnreisenden als Verbündete oder Gegner haben möchte.“ Am Montag habe die Gewerkschaft viele Zugreisende mit ihrer irreführenden Öffentlichkeitsarbeit erheblich verärgert. „Es gibt weitaus intelligentere Formen des Arbeitskampfes“, kritisierte Lieb.

Viele gestrandete Pendler nutzten am Montagabend die Busse und Bahnen der SSB, um weiterzukommen. „Unsere Leitstelle hat von 18 Uhr an deutlich mehr Fahrgäste in unseren Stadtbahnen registriert“, erklärte SSB-Pressesprecherin Susanne Schupp. Vor allem am Hauptbahnhof und am Rotebühlplatz sowie in Feuerbach und Vaihingen sei der Andrang sehr groß gewesen. „Wir konnten aber alle vom Streik der Lokführer betroffenen Fahrgäste mitnehmen, niemand musste stehen bleiben“, so Schupp. Wegen der Ferienzeit sei das Platzangebot in Bussen und Bahnen groß genug gewesen.

S-Bahn-Verkehr kommt zum Erliegen

Die GDL schätzt, dass infolge des Streiks am Stuttgarter Hauptbahnhof zwischen sechzig und achtzig Prozent der Züge im Fern- und Nahverkehr ausgefallen sind. Der S-Bahn-Verkehr sei völlig zum Erliegen gekommen. Zwischen fünfzig und sechzig Bahnmitarbeiter legten nach Angaben der Gewerkschaft die Arbeit nieder. Die Stimmung unter den Streikenden sei gut gewesen, sagte Dennis Weißgerber, der Streikleiter der GDL in Stuttgart. Er ergänzte: „Wenn der Bahnvorstand sein Angebot nicht überdenkt, stehen die Zeichen in der Belegschaft weiterhin auf Streik.“