Erschreckend viele Kinder sind Nichtschwimmer, wenn sie die Grundschule verlassen. Das will die Stadt Ludwigsburg mit einem Programm ändern.

Ludwigsburg - Wer kennt das nicht: Schwimmunterricht mit 26 Schülern. Der Lehrer konzentriert sich auf die zehn Sportschwimmer, eine Gruppe tummelt sich im Becken, und fünf oder sechs halten sich krampfhaft am Rand fest und versuchen nicht unterzugehen. Die letzte Gruppe hat sich in den vergangenen Jahren deutlich vergrößert. Bis zu 50 Prozent können nicht schwimmen, wenn sie die Grundschule verlassen, so die Statistik.

 

„In manchen Brennpunktschulen in Stuttgart sind es bis zu 90 Prozent“, meint Raphael Dahler, Fachbereichsleiter für Sport im Rathaus. Es gebe sogar Kinder, die man regelrecht ans Wasser gewöhnen müsse, da brauche es Wochen bis Monate, um diese auszubilden. Der Bedarf ist also groß – und der Sportlehrer in der anfangs genannten Klasse mit 26 Schülern schnell überfordert. Nun gibt der Ludwigsburger Sozialbürgermeister Konrad Seigfried ein klares Ziel aus: „Jedes Kind soll schwimmen lernen.“ Geschickterweise befindet sich in Ludwigsburg auch das Landesinstitut für Schulsport, Schulkunst und Schulmusik, und die Pädagogische Hochschule, die Lehrer ausbildet. Die räumliche Nähe und das Netzwerk zwischen dem Rathaus und den Landeseinrichtungen sind hilfreich und werden gern genutzt.

Schwimmlehrer und Studenten kommen an Grundschulen

Und so hat die Stadt ein Pilotprojekt des Landesinstituts aus der Stadt Heidelberg adaptiert, auf Ludwigsburg übertragen und ausgebaut. „Schwimmfix“ nennt sich das Programm, mit dem die Sportlehrer weitergebildet werden. Seigfried und Dahler gehen aber noch einen Schritt weiter: Sie wollen professionelle Schwimmlehrer finanzieren, die beim Schwimmverein Ludwigsburg angestellt sind, und an den Schulen in Kleingruppen die Schüler unterrichten. Und zwar getrennt von den Kindern, die bereits wie Delfine durchs Wasser gleiten. Zudem kommen Studenten der PH an die Schulen, um zu unterrichten. Diese sammeln so Praxiserfahrung, ein durchaus erwünschter Nebeneffekt.

Dieses landesweit einzigartige Modell wurde schon in fünf Ludwigsburger Schulen ein halbes Jahr lang getestet – mit durchschlagendem Erfolg, wie Raphael Dahler berichtet: „Nach einigen Wochen gelingt es, den Großteil der Nichtschwimmer zu sicheren Schwimmern zu machen .“ Allerdings hat die Pilotphase auch eine erschreckende Bilanz ergeben: So sind 15 bis 20 Prozent der Kinder absolute Nichtschwimmer, die sich überhaupt nicht ins Becken trauen. Diese müssen langsam erst einmal mit dem nassen Element vertraut gemacht werden. Etwa ein Viertel der Grundschüler gelten als gute oder sehr gute Schwimmer, und etwa 60 Prozent haben Seepferdchen-Niveau. Die Lehrer sind jedenfalls begeistert von der externen Hilfe und befürworten unisono das Projekt.

Gibt es künftig noch genügend Schwimmbecken?

Nun sollen zum nächsten Schuljahr zehn Schulen in den Genuss des Schwimm-Programms kommen, langfristig sollen alle entsprechend versorgt werden. Im Sozialausschuss des Gemeinderates stößt dieser Plan erwartungsgemäß auf viel Zustimmung. Uschi Traub (CDU) etwa erklärt: „Jedes Kind, das ertrinkt, ist eines zu viel.“ Und der SPD-Fraktionsvize Hubertus von Stackelberg spricht von einem „wichtigen Thema“ und bedauert, dass nur die Grundschulen mit im Boot sind. Eine Frage steht allerdings im Raum: Gibt es künftig noch ausreichend Schwimmbecken in jedem Stadtteil? Bekanntlich wird über die Schließung einiger Bäder diskutiert.