Der letzte Samstag vor Heiligabend ist die letzte große Chance für Geschenkejäger.

Ludwigsburg - Bald ist alles vorbei“, muntert eine Verkäuferin ihren Kollegen auf und hackt etwas in den Computer. Gerade ist nicht viel los in der Buchhandlung an diesem Samstagmittag. „Die machen wohl grade alle Mittag und essen verbrannte Wurst“, kommentiert der Kollege trocken. Zeit also für eine kleine Verschnaufpause für die Mitarbeiter. Es ist das Wochenende vor Heiligabend. Eine der letzten Chancen also für all jene, die immer noch nicht wissen, was sie der Verwandtschaft schenken sollen. Oder für jene, die sich nicht darauf verlassen wollen, dass die Online-Lieferanten wirklich bis Heiligabend liefert. Und überhaupt: ist Geschenkekaufen in der illuminierten Stadt nicht besinnlicher als ein paar kalte Klicks im Internet? Selbst die Konsummeilen im Tammerfeld mit ihren vollbeladenen Fluren, den Düften und dem Singsang von Advent scheinen passender in Anbetracht des bevorstehendes Festes.

 

Die Buchhandlung Aigner ist gut gerüstet für den Tag vor dem 4. Advent. „An dem Tag sind immer alle da“, sagt Peter Aigner. Zehn Mitarbeiter beraten, bestellen, kassieren ab oder packen ein. Der letzte Adventssamstag sei immer der beste, sagt Aigner. Da gebe es auch schon mal Warteschlangen vor der Kasse, die bis zur Treppe ins Obergeschoss reichen. Gerade stehen zwei Mädchen an. Sie wollen die Geschenke für ihre Familie mit einem Büchergutschein kaufen, den sie selbst geschenkt bekommen haben. „Sonst brauch’ ich den sowieso nicht“, sagt die eine. Weiter hinten ist eine blonde Jugendliche zerknirscht, weil ihr Buch nicht da ist. Sie hatte „Die Wolke“ bestellt, angekommen ist aber „Die Welle“. Und während hinten bei den Kinderbüchern eine Frau enttäuscht ist, dass der fünfte Band von Harry Potter ausverkauft ist, erkundigen sich zwei Schwestern bei einem Verkäufer, welchen historischen Roman ihre Oma denn gern lesen würde.

Das Biepen der Kassen als Rettungsring

„Service Kasse sieben bitte“, hallt es durch die Regale der Drogeriekette Müller in der Wilhelmgalerie. Gleich darauf: „Hat sich erledigt“. Dann wieder: „Service Kasse sieben bitte.“ Das Kundenknäuel um die Kassen wird größer. Ihr hohes Fiepen und Biepen ist wie der Ton gewordene Rettungsring für schiffbrüchige Schenker. Die wuseln davor meistens teststreifenwedelnd an den Parfums entlang oder suchen nach Film-DVDs, die dem Geschmack des Partners entsprechen. Nur bei den Socken schlurft niemand herum. In puncto Besuchermassen kann kein Geschäft in der Wilhelmgalerie mit Müller konkurrieren. Der Preis für die längste Warteschlange geht jedoch an die Postfiliale. Dort stehen die Menschen mit zum Teil lebensgroßen Paketen bis auf den Flur hinaus an.

Noch mehr Shopping, noch mehr Auswahl, aber auch noch mehr Menschen geht nur im Breuningerland. Die Centerleitung erwartet an diesem Samstag 40 000 Besucher – und damit fast das Doppelte wie sonst. Dort haucht eine Frau in rotem Kleid und weißem Schal von einer Band begleitete Weihnachtslieder, eine als Engel verkleidete Jugendliche verteilt Schokolade und die Besucher ziehen vollbepackt an den Läden vorbei, während ihnen Schritt für Schritt andere Gerüche in die Nase steigen: Parfum, Bratfett, Leder.

Depot, Nanu Nana und die Männeroase Media Markt

Besonders gut besucht sind die Geschäfte Depot und Nanu Nana – „für die Kleinigkeit zum Miteinpacken“, lockt eine Frau ihren Mann hinein. Der grummelt nur, dann könne man die Sachen ja auch gleich auf Vorrat fürs kommende Jahr kaufen, das spare Zeit und Nerven. Ein anderer Mann hat kapituliert und wartet mit dem Kinderwagen vor dem Laden – im Wagen liegt eine Kaffeemaschine. Den Besuch in der Männeroase Mediamarkt hat er also bereits hinter sich. Dort umringen Männer einen monströsen Plasma-Fernseher und sehen sich mit verschränkten Armen die Bundesliga an. Ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk gibt es für Stuttgart-Fans beim traurigen 0:0 an diesem Abend nicht.

Dafür bekommen sie im Bus zurück nach Ludwigsburg viel Gesellschaft. Damit alle heim kommen, müssen sich die Einkäufer richtig quetschen. Vom Shoppen erschöpft, die Geschenke zwischen den Füßen verstaut, redet kaum jemand während der Fahrt. Das Besinnlichste an diesem Abend hängt als Aufkleber über einem Fenster des Busses. In sieben Sprachen steht dort der Satz: „Jesus liebt dich.“