Mahle-Geschäftsführer Michael Glowatzki redet im Interview über die aktuelle Geschäftslage des Zulieferers, über Standorte mit Restrukturierungsbedarf und begründet, warum an diesen Standorten Handlungsbedarf besteht.

Stuttgart - Der Zulieferer Mahle schließt bis Ende 2019 Kündigungen in Deutschland aus. Im Gegenzug sichert sich der Konzern eine höhere Flexibilität. Mahle-Geschäftsführer Michael Glowatzki erläutert, warum er mit dieser Lösung zufrieden ist. Und er sagt, wie Mahle Innovationen fördern will.

 
Herr Glowatzki, Sie haben mit den Vertretern der Arbeitnehmer eine umfangreiche Vereinbarung getroffen, die die Beschäftigung an allen deutschen Standorten sichert. Es war ein hartes Ringen, das zeitweise von der Gewerkschaft in der Öffentlichkeit getragen wurde. Sind Sie zufrieden?
Ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Und ich bin froh, dass es jetzt steht. Es war ein hartes Ringen um einen Kompromiss. Der Prozess hat ja auch eineinhalb Jahre gedauert. Doch in den vergangenen Monaten haben wir sehr ergebnisorientiert verhandelt.
Die vereinbarten Maßnahmen verlangen den Beschäftigten teilweise deutliche Einsparungen ab. Steht Mahle schlecht dar?
Das sehe ich überhaupt nicht so. Wir haben zwar an einzelnen Standorten einen Restrukturierungsbedarf, aber von insgesamt 30 Standorten in Deutschland sind das gerade mal vier. Wir werden an den Standorten in Deutschland in den nächsten Jahren dreistellige Millionenbeträge investieren. So etwas könnten wir nicht, wenn Mahle schlecht da stehen würde.
Halten Sie den Flächentarifvertrag noch für zeitgemäß?
Die Tarifpartnerschaft in Deutschland ist ein Erfolgsmodell. Es ist wichtig, dieses zu erhalten. Dabei muss man auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen achten. Das tun die Tarifpartner, indem sie sich autonom über Entgelt und Arbeitsbedingungen verständigen. Das sollte auch so bleiben. Wie flexibel deutsche Tarifpolitik ist, sieht man an unserer jetzigen Einigung.
Woher kommt dann der Druck auf einzelne Standorte?
Wir richten unser Produktportfolio konsequent auf Technologien aus, die für Energieeffizienz und für CO2-Reduzierung stehen. Dadurch geraten manche traditionelle Technologien unter Druck. Andere Technologien entwickeln sich positiv – dazu gehört etwa beispielsweise unsere gebaute Nockenwelle, für die wir unsere Kapazitäten in Leibertingen, einem unserer Problemstandorte, ausbauen.
Haben Sie auch Restrukturierungsbedarf in anderen Ländern?
Die Kosten entwickeln sich in den westeuropäischen Ländern ähnlich. Wir müssen deshalb auch in anderen Ländern einige Strukturen anpassen – wie etwa in Frankreich. Dort kommt erschwerend hinzu, dass die industriellen Rahmenbedingungen eher schwierig und reformbedürftig sind. So werden wir in der Nähe von Paris einen Standort schließen und die Aktivitäten verlagern.
Wie läuft das Mahle-Geschäfte in Deutschland derzeit?
Wir sind mit der Entwicklung in Deutschland zufrieden. Die ersten Monate zeigen erfreuliche Zulassungs- und Produktionszahlen der Autoindustrie, davon profitieren wir – und hoffen, dass sich die gute Auslastung unserer Fabriken fortsetzt.
Wirkt sich der VW-Skandal auf Ihre Geschäfte aus?
Wir beobachten das Geschehen schon mit einer gewissen Besorgnis. Ich halte den Imageschaden für die hiesige Autoindustrie und die deutsche Industrie insgesamt für bedenklich – vor allem auf dem US-Markt. Es geht um „Made in Germany“. Mahle spürt eine gewisse Zurückhaltung, aber wir sehen noch keine besorgniserregende Entwicklung.
Wie beurteilen Sie den Industriestandort Deutschland? Hat er an Wettbewerbsfähigkeit verloren?
Nein, das sehe ich nicht. Doch das ist kein Grund, sich zufrieden zurückzulehnen. Wir müssen hart an unseren Kostenstrukturen arbeiten, damit wir unsere Wettbewerbsfähigkeit halten und möglichst ausbauen können.
Sehen Sie Defizite?
Ja, die sehe ich. Ein Defizit liegt im Bereich Bildung. Der globale Wettbewerbsdruck hat zugenommen, aber Deutschland hat seine Ausgaben in die Bildung nicht entsprechend erhöht. Gute Ausbildung ist der Schlüssel, um später qualifizierte Fach- und Führungskräfte zu bekommen. Da tun wir zu wenig. Wir müssen die Bildungseinrichtungen – von den Schulen bis hin zu Universitäten – modernisieren und ausbauen. Zudem kommen mit der Integration von Flüchtlingen neue Herausforderungen auf uns zu.
Was treibt Sie noch um?
Mich beschäftigt auch die deutsche Innovationskraft. Wir benötigen Rahmenbedingungen, die es Gründern ermöglichen, ihre Ideen zügig umzusetzen und damit Geld zu verdienen. Dafür müssen wir eine Start-up-Kultur fördern. Zudem sollten sich Unternehmen stärker bei Neugründungen engagieren, also bei jungen Unternehmen, die neu im Markt sind und sehr gute Ideen haben.
Womit wir bei Mahle wären.
Wir bei Mahle fahren da zweigleisig. Zum einen bieten wir kreativen Mitarbeitern entsprechende Mittel an, damit sie ihre innovativen Ideen verwirklichen können. Unser Ziel ist es, solche Ideen zu Geschäftsmodellen weiter zu entwickeln. Das muss verstärkt werden – nicht nur von Mahle, auch von anderen Unternehmen.
Was tut Mahle noch?
Wir stellen Risikokapital zur Verfügung, um neue Geschäftsideen von außen für unser Unternehmen nutzbar zu machen.
Wie viel Geld stellt Mahle bereit? Und wie viele Start-ups unterstützen Sie?
Bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns hierzu im Detail nicht äußern möchten. Wichtig ist vielmehr, dass wir es tun – und so mit den Gründern und deren Ideen in Kontakt kommen. Wir brauchen einen Austausch, von dem beide Seite profitieren.
An welche Ideen denken Sie?
Uns geht es natürlich um Themen rund um unser Kerngeschäft, also entlang des gesamten Antriebsstrangs und der Klimatisierung im Fahrzeug. Dabei handelt es sich neben dem Verbrennungsmotor als Antrieb auch um alternative Antriebskonzepte wie beispielsweise Elektromotoren und elektrifizierte Nebenaggregate.
Steigen Sie bei Start-ups ein?
Nein, Mahle beteiligt sich in der Regel nicht an den kleinen Unternehmen. Die Start-ups bleiben selbstständig. Wir haben einen anderen Ansatz: Wir geben entsprechenden Fonds unser Risikokapital. Auf diesem Wege wollen wir in Kontakt zu den Gründern kommen und deren Ideen kennen lernen.
Was kann die Politik tun?
Die Politik muss bessere Rahmenbedingungen schaffen, damit innovative Gründer einen guten Start finden. Es geht darum, deren finanzielle Ausgangssituation besser zu fördern, als wir dies in der Vergangenheit getan haben. Zudem müssen die Genehmigungsverfahren vereinfacht werden. Sinnvoll wäre auch eine weitere steuerliches Entlastung. So kann sich hierzulande eine Start-up-Kultur entwickeln und sich der sehr geringe Anteil an Selbstständigen erhöhen.