Mercedes-Benz eröffnet das neue Technologiezentrum. 200 Millionen Euro hat der Konzern dafür investiert. Zur Eröffnung kommt auch der Ministerpräsident Winfried Kretschmann.

Sindelfingen - Ein architektonisches Meisterwerk aus 7000 Tonnen Stahl – mehr als im Eiffelturm – und 36 000 Kubikmeter Beton – so lässt sich das neue Technologiezentrum Fahrzeugsicherheit am Sindelfinger Mercedes-Benz-Standort beschreiben. Am Mittwoch ist es mit 250 geladenen Gästen, darunter der Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Dieter Zetsche, der Vorstandsvorsitzende der Daimler AG, offiziell seiner Bestimmung übergeben worden.

 

Eine säulenfreie Halle

Das Herzstück des weltweit modernsten Crashtest-Zentrums ist eine 90 mal 90 Meter große Halle ohne jede Säule. Auf fünf großen Stahlträgern an der Decke, jeder rund 210 Tonnen schwer, ruht das Dach. Vier Crash-Bahnen zwischen 64 und 245 Meter Länge stehen den Sicherheitsingenieuren nun zur Verfügung. „Damit können wir künftig alle Tests im eigenen Haus durchführen“, sagte Thomas Weber, Vorstandsmitglied der Daimler AG für die Konzernforschung. „Auch für Lastwagen, Busse und Elektroautos.“ Die alte Anlage, seit mehr als 40 Jahren im Dienst, war dafür nicht ausgerüstet, etliche Crashtests mussten außerhalb des Sindelfinger Zentrums vorgenommen werden.

200 Millionen Euro hat der Konzern in das neue Zentrum für Fahrzeugsicherheit gesteckt, das ein Teil des Mercedes-Benz Technology Center ist. Zu diesem gehören auch ein Fahrsimulator, Windkanäle und das Antriebsintegrationszentrum. Diese Investitionen seien „ein klares Bekenntnis zum Standort Sindelfingen. Hier schlägt das Herz der Automobilindustrie“, sagte der Vorstandsvorsitzende Zetsche.

Seit 1959 gibt es Crashtests in Sindelfingen

„Ausnahmsweise dürften Sie für den Besuch bei uns heute auch von ihren kritischen Parteifreunden Applaus bekommen. Denn immerhin werden hier Autos systematisch zerstört“, hatte er zuvor den Ministerpräsidenten Kretschmann begrüßt. Zetsche sagte: „Die Landesregierung und Daimler verbindet zwei Dinge: die Vision vom emissionsfreien und die vom unfallfreien Auto.“

Diese Vision dürfe nicht lauten, „20, 30 oder 40 Prozent weniger Verkehrstote, sondern gar keine Verkehrstoten mehr“, lautete Kretschmanns Replik. „Das Leitmotiv Ihres Unternehmens gilt zu Recht auch beim Thema Fahrzeugsicherheit: das Beste oder nichts. Und deshalb bin ich überzeugt, dass Sie mit Ihrer jahrzehntelangen Erfahrung auf diesem Gebiet, die weltweiten Maßstäbe setzen werden.“ Denn die Sicherheit der Fahrzeuge sei ein Markenzeichen von Daimler. Bereits 1959 wurden in Sindelfingen vom Entwicklungsingenieur Béla Barényi die ersten Crashtests gemacht – weltweit die allerersten überhaupt. Nun sei man – 130 Jahre nach der Erfindung der Motorkutsche durch Gottlieb Daimler – dabei, das Auto neu zu erfinden.

900 Crahs pro Jahr

Etwa 900 Unfälle sollen pro Jahr im neuen Technologiezentrum nachgestellt werden, sechs bis acht am Tag. Hinzu kommen 1700 sogenannte Schlittenversuche. Getestet werden können nun nicht nur die Auswirkungen auf Karosserie und Insassen bei einem Frontalaufprall, sondern auch bei Kollisionen ganz unterschiedlicher Winkel.

Nur einen Wimpernschlag dauert der Crash, zehn Tage jedoch seine Vorbereitung und die Auswertung der Ergebnisse. Dafür werden die Testautos mit Sensoren und Kameras bestückt, die jede Veränderung am Fahrzeug messen und dokumentieren. Zum Einsatz kommen auch Dummys in allen Größen – vom Säugling bis zum knapp 100 Kilogramm schweren Erwachsenen. Diese sind mit 70 Sensoren ausgestattet, die mögliche Verletzungen anzeigen. Ein Dummy der neuesten Generation kostet 700 000 Euro. Jedes neue Modell von Mercedes muss 1500 Unfälle am Simulator bestehen und 150 Crashtests.