Das Land und die Baufirma geben sich gegenseitig die Schuld für die kostspielige Verzögerung beim Bau des Innenministeriums. Die Baufirma fordert 20 Millionen Euro zusätzlich. Das sei „unbegründet“, erwidert das Land.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Nils Schmid (SPD) ließ sich seine Feierlaune nicht verderben. Von Problemen war kaum die Rede, als der baden-württembergische Finanz- und Wirtschaftsminister Mitte April in Stuttgart bei der Einweihung des Neubaus für das Innenministerium sprach. Es habe wohl kleinere Hakeleien gegeben, nun aber sei alles auf gutem Wege. Der ihm unterstehenden Bauverwaltung, die wegen des Dramas bei der Theatersanierung zuletzt massiv in die Kritik geraten war, attestierte Schmid eine professionelle Projektleistung. Obwohl sich die Fertigstellung um anderthalb Jahre verzögert hatte, blieben die Baukosten nach seinen Angaben im geplanten Rahmen von 65 Millionen Euro. Der langgestreckte Riegel am Rande des Schlossgartens schien mithin der Beweis zu sein, dass der Staat große Bauvorhaben doch noch einigermaßen reibungslos über die Bühne bringen kann.

 

Tatsächlich dürfte sich der Ministeriumsneubau, nebst Schauspielhaus, Affenanlage und Cranko-Schule, in die Kette der jüngsten Problemfälle einreihen. Hinter den Kulissen hakte es nicht nur ein bisschen, sondern ganz gewaltig zwischen dem Land als Auftraggeber und dem verantwortlichen Generalunternehmer, dem Baukonzern BAM (siehe Infobox). Es geht um mögliche Mehrkosten von weit mehr als 20 Millionen Euro sowie um die Frage, wer dafür verantwortlich ist und sie folglich bezahlen muss. Die Fronten sind ziemlich verhärtet, man redet kaum noch miteinander, es droht ein jahrelanger Streit vor Gericht. Bei einem für das Land ungünstigen Ausgang könnten auf den Steuerzahler durch Zinseffekte weitere Zusatzkosten in Millionenhöhe zukommen.

Land und Baufirma beschuldigen sich gegenseitig

Begründet werden die Mehrkosten laut Finanzministerium im Wesentlichen mit der verlängerten Bauzeit und nachträglichen Änderungen, etwa für das Lagezentrum der Polizei. Das deckt sich mit Informationen aus dem Bauunternehmen, das sich dazu offiziell nicht äußern will. Doch damit enden die Gemeinsamkeiten auch schon. Für die Verzögerungen geben sich Land und BAM gegenseitig die Schuld, entsprechend unterschiedlich bewerten sie die millionenschweren Nachforderungen an das Land. Diese seien „nach Einschätzung des Landes unbegründet“, lässt Schmid erklären. „Die Mehrkosten sind vom Bauherrn zu vertreten“, kontert hingegen Steffen Schönfeld von der Geschäftsleitung der BAM Deutschland.

Auch sonst gehen die Darstellungen von Auftraggeber und Auftragnehmer derart auseinander, als redeten sie nicht vom gleichen Bauprojekt. Für den BAM-Mann Schönfeld liegt der Grund für den Verzug im Verhalten des Landes: Es sei „Zuarbeiten und Entscheidungen“ lange schuldig geblieben, manches sei auch gar nicht entschieden worden. Mehrere Hundert Fragen zur Bauausführung ergaben sich nach StZ-Informationen aus den unklaren Planungsunterlagen. Doch die BAM-Leute, hört man, bekamen darauf monatelang keine Antworten. Die Bauverwaltung komme ihren Mitwirkungspflichten nicht nach, klagten sie. Bereits 2009 und 2010 gab es die ersten Krisengespräche mit den Leiterinnen des Amts Stuttgart und des Landesbetriebs Vermögen und Bau – aus Sicht des Generalunternehmers ohne durchschlagende Besserung. Schließlich habe man die mündlichen Besprechungen eingestellt und nur noch schriftlich kommuniziert.

Nils Schmid war nicht zu Gespräch bereit

Auch die Version des Landes handelt von einer schwer gestörten Zusammenarbeit, allerdings mit umgekehrten Vorzeichen. Nicht die Bauverwaltung, das Unternehmen habe „gegen Mitwirkungspflichten verstoßen“, keilt das Finanzministerium zurück. Wiederholt habe die BAM „vereinbarte Termine nicht eingehalten“, insgesamt zu wenig für den Baufortschritt getan und die Subunternehmer nicht genügend koordiniert. Das Land dagegen habe sich „auf allen Ebenen“ um eine bessere Kooperation bemüht – immerhin mit dem Erfolg, „dass rechtliche Streitfragen von der tatsächlichen Ausführung abgekoppelt“ worden seien.

Auf allen Ebenen? Mehrfach habe man Finanzminister Schmid – direkt und indirekt – um ein Gespräch gebeten, sagt der BAM-Geschäftsführer Schönfeld; „leider erhielten wir keinerlei Antworten“. Auch der inzwischen abgelöste Leiter der Bauabteilung, Thomas Knödler, habe „für direkte Gespräche nicht zur Verfügung gestanden“. Beides bestreitet das Ministerium nicht: „In Anbetracht der Sach- und Rechtslage wurden die Gespräche auf der Ebene des Landesbetriebs belassen.“

Land droht mit Gang vor Gericht

Das Land und das Unternehmen setzen nun auf ein Schieds- oder Schlichtungsverfahren, für das auch ein Gutachter eingeschaltet wurde. Er soll etwa prüfen, inwieweit Zusatzwünsche die Bauzeit verlängerten. Man wolle „eine einvernehmliche Lösung“ und vor allem wieder ins Gespräch kommen, heißt es bei BAM. Auch das Land zeigt sich an einer Einigung interessiert, „scheut es aber auch nicht, die Streitpunkte vor Gericht klären zu lassen“.

Wie zerrüttet das Verhältnis ist, zeigte sich bei der Einweihungsfeier: Vertreter des Generalunternehmers waren dazu ausdrücklich nicht eingeladen. „Bei allen Sachdiskussionen ist dies unüblich“, wunderte sich der BAM-Mann Schönfeld. Nils Schmid lässt hingegen ausrichten: „In Anbetracht der Probleme war eine gemeinsame Übergabe nicht angezeigt.“