Im Vatikan könnte erstmals ein ranghoher Amtsträger wegen sexuellen Missbrauchs vor Gericht gestellt werden. Dem früheren Botschafter in der Dominikanischen Republik und polnischen Erzbischof Jozef Wesolowski wird „wahrscheinlich“ der Prozess gemacht.

Rom - Schon oft hat Papst Franziskus die Amtsträger der katholischen Kirche zur „Barmherzigkeit” gegenüber Sündern aufgefordert. Aber wer das als einen Kurs flauer Nachgiebigkeit verstanden hat, sieht sich spätestens jetzt getäuscht: Erstmals seit Menschengedenken hat – „auf ausdrückliche Anordnung des Papstes“, wie es heißt – die Vatikan-Gendarmerie einen Erzbischof verhaftet. Es handelt sich um den Polen Jozef Wesolowski (66), der des vielfachen Kindesmissbrauchs angeklagt ist.

 

Als Botschafter („Nuntius“) des Papstes in der Dominikanischen Republik soll er   „in Ausnutzung ihrer prekären sozialen Lage“ sexuelle Dienstleistungen bei Jugendlichen gekauft und sich an den einschlägigen Plätzen für die Prostitution mit Minderjährigen herumgetrieben haben. In einem kirchenrechtlichen Verfahren hatte ihm die Glaubenskongregation bereits Ende Juni das Priesteramt entzogen; Wesolowski hat dagegen Berufung eingelegt. Dennoch muss er sich jetzt auch noch einem   einem regulären Strafverfahren stellen, auch im Vatikan zwar, aber nach weltlichem Recht. Es droht ihm eine Haftstrafe von zehn oder mehr Jahren. Außerdem hat der Vatikan darauf hingewiesen, dass Wesolowski schon mit dem   Spruch der Glaubenskongregation seine diplomatische Immunität verloren und deswegen auch für „Ermittlungen anderer Justizbehörden“ greifbar sei. Santo Domingo und Warschau haben bereits angekündigt, Wesolowski den Prozess zu machen.

Vor Wesolowski hatte die heutige Vatikanjustiz nur einen einzigen Kirchenbediensteten festgesetzt: vor gut zwei Jahren den Butler Benedikts XVI., Paolo Gabriele, der interne Dokumente entwendet und – der Fall wurde als „Vatileaks“ bekannt – an die Öffentlichkeit gegeben hatte. Während Gabriele aber in einer von zwei vatikanischen Haftzellen schmachtete, bekam Wesolowski jetzt „angesichts seiner Gesundheitszustandes” einen Hausarrest zugebilligt. Diesen und damit auch den Vatikan darf er nicht verlassen. Mit Wesolowskis Verhaftung hat Papst Franziskus seine harten Worte gegen klerikalen Kindesmissbrauch erstmals direkt in die Tat umgesetzt. Im Mai, beim Rückflug aus Israel, hatte der Papst solche Taten mit dem „Abhalten einer Schwarzen Messe” verglichen.