Die CDU hat ihren Spitzenkandidaten Guido Wolf am Dienstag als Fraktionsvorsitzenden bestätigt. Kritik an Wolf gab es dabei nur in Ansätzen. Am Mittwoch beginnen die ersten Sondierungsgespräche mit den Grünen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Als Guido Wolf nach drei Stunden aus dem Sitzungssaal kam, wirkte er sichtlich zufrieden. Drei Stunden lang hatte die neue, von 60 auf 42 Mitglieder dezimierte Landtags-CDU über das Wahldebakel vom Sonntag diskutiert – mal lautstark, oft emotional, meist konstruktiv. Dann aber hatten ihn die Abgeordneten klar als Fraktionschef bestätigt: 34 Ja-Stimmen, sieben Nein-Stimmen, eine Enthaltung – das sei ein ehrliches Ergebnis, sagte Wolf, mit dem er „sehr gut leben“ könne. Derart gestärkt werde er nun in die Gespräche gehen, die man mit Grünen, SPD und FDP führen wolle – ohne jede Priorität für eine Koalition, im Zweifel mit dem Ergebnis, dass man in die Opposition gehe.

 

Zur Erleichterung hatte Wolf durchaus Grund: Weder wurde die Wahl, wie es gewichtige Parlamentarier gefordert hatten, verschoben, noch gab es, wie dunkel angedroht, einen Gegenkandidaten. Eine „sehr, sehr gute Diskussion“ habe man geführt, lobt der alte und neue Vorsitzende. Aber für die gebotene „schonungslose Analyse“ sei es, zwei Tage nach dem Wahlschock, noch zu früh. Bereits am Vorabend, bei der Sitzung des CDU-Landesvorstands im Stuttgarter Ratskeller, war das Wahldebakel nicht wirklich aufgearbeitet worden. Kritik an Wolf gab es laut Teilnehmern nur in Ansätzen, Selbstkritik übte dieser ebenfalls nur sparsam dosiert. Ein Scherbengericht wäre ohnehin nicht nach CDU-Art gewesen: in schwerer Stunde hält man zusammen anstatt sich zu zerfleischen. Man werde das Ergebnis „in einiger Zeit natürlich sehr genau analysieren”, sagte der Landeschef Thomas Strobl, „aber wir sind ganz weit davon entfernt, Schuldzuweisungen zu machen.“ Das galt für den Spitzenkandidaten ebenso wie für die Kanzlerin, deren Flüchtlingspolitik nur kurz angesprochen wurde.

Noch am deutlichsten wurde Wolfs Auftreten am Wahlabend kritisiert: Angesichts des Triumphes der Grünen und des Absturzes der CDU, hieß es, wäre „etwas mehr Demut“ angezeigt gewesen. Tatsächlich hatte der Spitzenkandidat die Abwahl von Grün-Rot gefeiert und selbstbewusst den Anspruch auf das Amt des Ministerpräsidenten erhoben – als hätte die Union nicht gerade ein bisher unvorstellbares Desaster erlebt.

In den vier Parteibezirken hatte sich zwar einiger Unmut gegen Wolf zusammengebraut. Besonders groß war dieser offenbar in Nordbaden, wo der Ex-Wissenschaftsminister Peter Frankenberg sogar seinen Rückzug forderte. Doch der Bezirkschef Peter Hauk hielt sich auffällig zurück. Er sei wohl schon bei der vorausgehenden Sitzung des Präsidiums „eingenordet“ worden, wurde gemunkelt.

Wolf selber ließ zwar wie tags darauf in der Fraktion vorsichtig anklingen, dass er vielleicht Fehler gemacht haben könnte – aber das war es dann schon mit der Rückschau. Weitere Attacken musste er auch deshalb nicht fürchten, weil etliche CDU-Granden längst Karrierepläne schmieden: Eifrig wird bereits überlegt, wer aus der Landtagsfraktion oder von den vier Bezirksfürsten im nächsten Kabinett etwas werden könnte. Da ist es ratsam, es sich nicht durch Unbotmäßigkeiten mit Wolf zu verscherzen: beim Verteilen von Ministerposten kommt es maßgeblich auf ihn an.

Weitaus mehr beschäftigte die Gremien denn auch die Frage, wie es nun weitergehen solle. Anfangs labten sie sich noch an der Vorstellung, es könne in einer schwarzen Ampel vielleicht doch noch für einen CDU-Ministerpräsidenten reichen. Doch dann kam die Meldung, dass der SPD-Vorstand eine solche Koalition gerade einmütig ausgeschlossen habe. Also verlagerte sich die Diskussion auf Grün-Schwarz, wo es laut Teilnehmern zwei Lager gab. Man solle lieber in die Opposition gehen, als sich von den Grünen als „Juniorpartner“ marginalisieren zu lassen, mahnte das eine, kleinere. Das größere habe sich für ein Bündnis mit Kretschmanns Partei offen gezeigt – teils aus Überzeugung wie die seit jeher grün angehauchten südbadischen Christdemokraten, teils aus ganz pragmatischen Überlegungen. Neben der AfD, lautete ein Einwand, würde die CDU in der Opposition als „AfD light“ erscheinen – keine schöne Rolle. Das unausgesprochene Fazit: Auch wenn es der Stolz der einstigen Staatspartei nur schwer zulasse, müsse man sich mit dem Gedanken an Grün-Schwarz anfreunden. Vorher aber werde man sich noch ein wenig zieren: Neben den Gesprächen mit der CDU an diesem Mittwoch soll auch mit SPD und FDP sondiert werden.

Offen blieb zunächst, ob man die Mitglieder über die künftige Koalition abstimmen lassen will, wie dies die Stuttgarter CDU verlangt. Die Begeisterung für die Basisdemokratie ist bei manchen Strategen seit dem Votum für Wolf spürbar gedämpft. Die Partei sei deutlich älter und männlicher als der Durchschnitt der Bevölkerung, heißt es warnend; bei der notwendigen Modernisierung könne das zum Problem werden. Wolf selbst legte sich am Dienstag nicht fest, versprach aber eines: die Partei habe einen Anspruch darauf „maximal beteiligt“ zu werden.