Eine Gemeinschaft von Hauseigentümern gewinnt gegen die Stadt Stuttgart einen Rechtsstreit über einen Neubau in Kaltental. Die Stadt hatte sich bei ihrer Ablehnung der Baupläne auch auf ein Bauverbot aus dem Jahr 1935 berufen.

Stuttgart - Schon bei der Verhandlung hatte Martin Leidig, Vertreter der Stadt, keinen plausiblen Grund für das Bauverbot aus dem Jahr 1935 nennen können. Zumal sechs Jahre zuvor noch dort, wo heute das Haus Böblinger Straße 361 steht, eine Baufläche eingezeichnet war. Dies ist für die Richter des achten Senats des Verwaltungsgerichthofs Mannheim (VGH) auch der entscheidende Grund gewesen, warum sie das Bauverbot aus der Nazi-Zeit nun für unwirksam erklärt haben. Am Freitag wurde das Urteil verkündet. Der VGH kommt damit zu einem anderen Schluss als das Verwaltungsgericht Stuttgart im Jahr 2012 und gibt der Eigentümergemeinschaft recht, die am Ortsrand von Kaltental ein neues Wohn- und Geschäftshaus bauen will.

 

Bebauungsplan aus dem Jahr 1935 nicht rechtswirksam

Laut Urteil des VGH ist die Stadt nun dazu verpflichtet, einen Bauvorbescheid zu erteilen. Als Grundlage gilt dafür der Stadtbauplan aus dem Jahr 1929. Der Plan aus dem Jahr 1935 stehe dem nicht entgegen, sagt der VGH. Eben jenes Dokument hatte die Stadt stets als gültig erachtet und eine Bauvoranfrage der Eigentümergemeinschaft im Jahr 2009 negativ beschieden. Auch das Regierungspräsidium wies 2011 einen Widerspruch dagegen zurück.

Für den VGH ist der Bebauungsplan ungültig, da er „nicht rechtswirksam“ nach Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes im Jahr 1961 übergeleitet worden sei. Die vorgenommene Abwägung könne nicht als verhältnismäßig angesehen werden, weil die Eigentumsgarantie nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Demnach sei ein Bauverbot nur bei „gewichtigen städtebaulichen Allgemeinwohlgründen“ möglich. „Ob solche Gründe hier bestanden hätten, ist im konkreten Fall nicht mehr aufklärbar“, heißt es in der VGH-Erklärung. Angesichts der erheblichen Eigentumsbetroffenheit gehe dies zu Lasten der Stadt. Schon bei der Verhandlung hatten die Richter festgestellt, dass zum Beispiel bei einem Brand das Wohnhaus Böblinger Straße 361 nicht wiederaufgebaut werden dürfte, und dies als nicht nachvollziehbar bezeichnet.

Verwaltungsgerichtshof lässt Revision zu

Die Richter am Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart hatten noch mit dem Schutz des Bachufers und des Nesenbachs das Verbot zu erklären versucht. Das seien aber „Spekulationen“, hatten die VGH-Richter bei der Verhandlung Ende Januar konstatiert. Stadtoberrechtsrat Martin Leidig hatte damals aus einem Amtsblatt-Text aus 1934 zitiert, wonach aus „volksgesundheitlichen Gründen“ die Schaffung von weiteren Grünflächen angeraten wird. Zudem hatte er gemutmaßt, dass man die Frischluftschneise erhalten haben wollen.