Der neue Supercomputer errechnet das Risiko eines Schlagader-Risses und genehmigt sich so viel Strom wie 10.000 Haushalte. Nun wollen Forscher auch seine Heizenergie effizienter nutzen.

Stuttgart - Sein Design ähnelt schicken Kleiderschränken in XXL, sein Stromdurst ist immens, und mit seiner Rechenleistung ist der Neue namens Hazel Hen – also Haselhuhn – in Deutschland Klassenprimus. Der neue Supercomputer aus der Cray-Familie steht gut gesichert im Höchstleistungsrechenzentrum (HLRS) der Uni Stuttgart auf dem Vaihinger Campus und schlägt seine Vorgänger Hermit und Hornet mit seinen 7,42 Petaflops an Rechenleistung um Längen. Hazel Hen schafft 7,42 Billiarden Rechenoperationen pro Sekunde. Michael Resch, der Leiter des HLRS, übersetzt das so: Was Hazel Hen in einer Sekunde rechne, dafür würde die komplette Menschheit, also sieben Milliarden Einwohner, 50 Jahre brauchen – Achtstundentag vorausgesetzt.

 

Das Besondere an Hazel Hen ist allerdings, dass er, anders als seine Vorgänger, auch gekoppelte Simulationen rechnen kann. Das machen sich vor allem Forscher in den Ingenieurwissenschaften, aber auch in der Medizin zunutze. So sei der Superrechner in der Lage, bei einem landenden Flugzeugtriebwerk Messungen von Strömungsveränderungen am Flügel mit Messungen des Schalls zu koppeln. Somit könne Fluglärm minimiert werden.

Hazel Hen errechnet das Risiko eines Schlagader-Risses

In der Medizin lasse sich inzwischen errechnen, wie hoch bei Patienten mit einem Aorten-Aneurysma, also einer Aussackung der Bauchschlagader, die Gefahr des Platzens ist. Weil Hazel Hen nicht nur die Strömung in der Arterie berechnen kann, sondern diese Daten auch in Bezug zur Beweglichkeit der Gefäßwand ermittelt, seien nun „vernünftige Aussagen über das Risiko des Platzens“ möglich, so Resch. Aktuell arbeite man mit der Uni Tübingen daran, wie bei einem Oberschenkelhalsbruch der Stift gesetzt werden müsse, damit der Patient anschließend auch bei Belastung eine maximale Beweglichkeit erreiche.

Schub erhalten solche Forschungen auch durch das hohe Rechentempo. „Wir haben vor 20 Jahren den ersten Rechner gekauft, eine Cray T3E, die konnte einen halben Teraflop – jetzt sind wir 15 000-mal schneller“, sagt Resch. „Damals haben wir für eine Simulation acht Stunden gebraucht, jetzt sind es weniger als zwei Sekunden.“

Der Rechner braucht so viel Strom wie 10 000 Haushalte

Insgesamt 75 Millionen Euro haben Land und Bund für die Superrechner Hermit, Hornet und Hazel Hen bezahlt. Die Halbwertszeit ist allerdings kurz: „Nach vier, fünf Jahren ist ein System veraltet – vor allem, weil es zu viel Strom verbraucht“, berichtet Resch. Hazel Hen genehmige sich 3,1 Megawatt – pro Stunde. Das koste die Uni im Jahr rund vier Millionen Euro. „Das würde für 10 000 Haushalte reichen“, so Resch. Nun tüfteln die Wissenschaftler daran, wie man durch ein Nachhaltigkeitskonzept den Rechner kostengünstiger arbeiten lassen kann.

„Wir rechnen mit Hazel Hen Klima- und Umweltfolgen – da muss ich doch auch fragen, wie viel Strom verbrauch ich damit“, sagt Resch. Die Uni beziehe Strom aus einem eigenen Blockheizkraftwerk und den Rest aus Wasserkraft. Die Maschine müsse mit Wasser gekühlt werden – derzeit auf 26 Grad. Nun seien Experten, das Unibauamt und die Lieferanten der Maschine dabei, herauszufinden, wie man das Wasser über die Außenluft kühlen könne.

Forscher wollen die Rechnerhitze in Strom umwandeln

Auch die Abwärme des hitzigen Hazel Hen werde genutzt: „90 Prozent unseres Höchstleistungsrechenzentrums heizen wir mit dem eigenen Rechner – aber wir könnten noch sehr viel mehr heizen“, meint Resch. Zum einen gehe es darum, den Rechner möglichst heiß laufen lassen zu können. Zum anderen tüftelten die Kollegen vom Institut für Energiespeicherung daran, wie man Hazel Hens Wärme in Strom umwandeln kann.

Doch nicht nur Forscher nutzen den Supercomputer. Auch Porsche und zunehmend auch mittelständische Unternehmen sichern sich Rechenzeiten. „Zwischen fünf und zwölf Prozent der Rechenzeit geht an die Industrie“, sagt Resch. Dass neuerdings zunehmend Anfragen aus der Kreativwirtschaft kommen, führt der HLRS-Chef auf den Erfolg des Zeichentrickfilms „Biene Maja“ zurück. Bei der 3-D-Produktion der Stuttgarter Firma M.A.R.K. 13 sei es darum gegangen, das Licht und die Oberflächen der Figuren so zu gestalten, dass die Darstellung räumlich und realistisch anmute. Für einen Supercomputer keine große Sache – „aber die kleine Stuttgarter Firma hätte das nicht machen können“, so Resch. So habe man den Höchstleistungsrechner immer wieder zwischen den großen Rechenjobs mit Stereobildern der Biene Maja gefüttert, drei Monate lang. Und nun sei da eine neue Community, ein neuer Markt.

Auch kleine Firmen brauchen große Rechenleistung

Zu den Nutzern gehöre auch Recom, eine achtköpfige Firma, die Verbrennungskraftwerke optimiert. „Die könnten sich niemals einen Rechner hinstellen, der ihnen erlauben würde, das nachzuweisen“, so Resch. „Für den Mittelstand ist das eine Existenzfrage.“ Bei immer mehr Firmen gehöre eine Simulation zum Businessplan.

Auch Simtech, der Exzellenzforschungsverbund der Uni Stuttgart, profitiert vom Superrechner – „ein wichtiger, aber kein großer Benutzer“, so Resch. Haben die Exzellenzforscher, weil zur Uni gehörig, Vorrang? Nein, sagt Resch. „Wir dürfen niemanden bevorzugen.“ Über die Vergabe der Rechenzeiten entscheide ein Lenkungskreis. Die Nachfrage sei deutlich gestiegen. „Im August waren wir zwischen 20 und 50 Prozent überbucht. Und jetzt sind wir immer noch überbucht – und schon wieder bei 95 Prozent Auslastung.“ Das bedeute Wartezeiten bis zu einer Woche.