Der Weckruf der Notenbanken, ist überfällig. Die Staaten müssen die Defizitziele wieder stärker in den Blick nehmen, sonst driftet die Eurozone driftet weiter auseinander, meint Roland Pichler.

Berlin - Was vor einem Jahr noch Schlagzeilen gemacht hätte, geht jetzt leicht unter. In Zeiten der Flüchtlingskrise interessiert sich die Öffentlichkeit kaum für die Eurozone. Dass die Notenbankpräsidenten von Deutschland und Frankreich über den Zustand der Europäischen Währungsunion in Sorge sind, reiht sich in frühere Mahnungen ein. Dennoch ist der Appell ernst zu nehmen. Die größte Gefahr für die Euroländer ist die eigene Selbstzufriedenheit. Viele Regierungen verlassen sich darauf, dass das Wachstum in diesem Jahr besser ausfällt. Ob sich die Prognosen angesichts der Turbulenzen an den Finanzmärkten und den Schwierigkeiten in den Schwellenländern bewahrheiten, ist allerdings fraglich.

 

Höheres Wachstum

Anstatt allein auf höheres Wachstum zu hoffen, sollten sich die Eurostaaten fragen, was sie dazu beitragen können. Die Notenbankchefs von Deutschland und Frankreich erinnern an frühere Versprechen: Nach der Finanz- und Schuldenkrise bestand Einigkeit, dass solide Finanzen und Reformen Voraussetzungen für nachhaltiges Wachstum sind. Davon ist inzwischen keine Rede mehr. Ein Indiz dafür ist, wie lax die EU-Kommission die Regeln des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts auslegt.

Mit Brüsseler Segen darf Frankreich ein ums andere Mal die Defizitvorgaben verfehlen. Seit 2008 liegt Frankreichs Defizit über der Obergrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Zuletzt wurde Paris eine Frist bis 2017 gesetzt, um die vereinbarten Ziele zu erreichen. Das ist ein Trauerspiel, zumal sich andere Defizitsünder hinter dem unrühmlichen Beispiel des großen Landes verstecken. Dass dieses Fehlverhalten die Stabilität der Eurozone gefährdet, ist offenkundig. Vom Versprechen, eine Trendwende in der Haushaltspolitik einzuleiten, ist wenig geblieben.

Verbindlichere Regeln

Die Notenbankpräsidenten leiten daraus ab, dass es verbindlichere Regeln geben muss. Doch es steht zu bezweifeln, dass ein gemeinsamer Euro-Finanzminister einen Sinneswandel bewirken könnte. Im Gegenteil, von einer gemeinsamen Finanzpolitik sind die Eurostaaten schon jetzt weit entfernt. Notwendig wäre vielmehr die Erkenntnis, dass der schwache Euro und die niedrigen Zinsen nur etwas Zeit verschaffen. Zeit, die genutzt werden muss.