Das Haus der Geschichte hat das Ausstellungskonzept vorgestellt: Danach sollen die kleinen Büroräume erhalten bleiben, um einen sinnlichen Eindruck vom „Schreibtischtäter-Ort“ zu vermitteln. Eröffnung soll Ende 2016, Anfang 2017 sein.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Aus der Not eine Tugend machen, das versucht Paula Lutum-Lenger, die Ausstellungsleiterin des Hauses der Geschichte, in diesen Tagen. Denn die Fläche für die Dauerausstellung im geplanten Gedenkort Hotel Silber ist ja auf die Hälfte zusammenschnurrt, von 600 auf 300 Quadratmeter, weil sich Land und Stadt aus Kostengründen darauf geeinigt hatten, das zweite Obergeschoss anderweitig zu vermieten. Die Lösung der Historiker lautet nun: Fenster in die Geschichte auftun.

 

Schon auf dem Bürgersteig vor dem Hotel Silber könnte das erste Fenster, eine Art Vitrine, stehen. Viele kennen jenes Foto des württembergischen Staatspräsidenten Eugen Bolz, der nach einem Verhör im Hotel Silber auf der Straße von einer Menschenmenge zusammengeschrien wird – am authentischen Ort könnte eines Tages die Verfolgung der alten Staatsmacht thematisiert werden. Im Erdgeschoss im ehemaligen Frühstücksraum des Luxushotels soll an die Vorgeschichte des Gebäudes angeknüpft werden, im Keller wird in einem weiteren Fenster an die alten Verwahrzellen erinnert. Durch diese geschickte Auslagerung bleibt mehr Raum in der eigentlichen Ausstellung für andere Themen.

Platz für Wechselausstellungen ist nun doch eingeplant

Erhalten bleiben soll in dieser Dauerausstellung im ersten Stock die bisherige Raumsituation mit schmalem Flur und vielen kleinen Büros. „Das Hotel war ein  Ort der Schreibtischtäter“, so Lutum-Lenger: „Bei der sinnlichen Wahrnehmung der Büros kann man historisch ansetzen.“ Im Erdgeschoss wird der große „Frühstücksraum“ für Veranstaltungen zur Verfügung stehen, in kleineren Zimmer können Workshops oder Erzählwerkstätten stattfinden. Im Untergeschoss ist Platz für Wechselausstellungen. Grundsätzlich sei keine reine Gedenkstätte beabsichtigt, sondern ein Ort des politisch-historischen Lernens.

Der Verein „Gedenkort Hotel Silber“, in dem 22 Bürgerinitiativen zusammengeschlossen sind, war am Einschmelzen des Konzeptes nicht beteiligt, ist aber grundsätzlich damit einverstanden, wie der Sprecher Harald Stingele sagte. Allerdings gebe es schon noch methodische Kontroversen: Auf was verzichte man in der Ausstellung, und wie schaffe man es, biografische und strukturelle Ansätze zu verbinden.

Bürgerinitiativen sind etwas verstimmt

Daneben soll das Hotel Silber auch ein Prototyp sein für bürgerschaftliche Partizipation. Der Verein, so ist geplant, hat im Verwaltungsrat eine Stimme und wirkt am Programm mit. „Das muss jetzt mit Leben gefüllt werden“, sagte Stingele. Dass der Verein nun zur Vorstellung des Konzeptes nicht eingeladen worden ist, hat für eine kleine atmosphärische Störung gesorgt.

Die Gedenkstätte soll, so hofft Thomas Schnabel, der Leiter des Hauses der Geschichte, Ende 2016 oder Anfang 2017 eingeweiht werden – zunächst muss die Ostseite des Gebäudes, Richtung Charlottenplatz, umgebaut werden. Eine halbe Million Euro beträgt der Etat des Museums künftig pro Jahr; Stadt Stuttgart und Land teilen sich diese Summe. Die Miete von 250 000 Euro übernimmt das Land allein.

Wichtig sei, so Paula Lutum-Lenger, die junge Generation weiter für die NS-Zeit zu interessieren. Dabei müsse man für die Schüler immer eine Frage beantworten: Warum sollen wir uns heute noch damit beschäftigen? Schnabel ist aber zuversichtlich, Antworten zu finden: „Denn Ausgrenzung und Diskriminierung gibt es auch heute noch – auf jedem Schulhof.“