Die Stadt will auf der Nanzwiese Flüchtlinge und andere Menschen mit geringem Einkommen für die Dauer von drei Jahren ansiedeln. Gesundheitliche Bedenken gegen diese befristete Lösung konnten sich im Gemeinderat nicht durchsetzen.

Nürtingen - Das Paket der Stadt Nürtingen für die Anschlussunterbringung von Flüchtlingen ist geschnürt. An drei Standorten soll Wohnraum für insgesamt 190 Flüchtlinge geschaffen werden. Heftig umstritten ist dabei die Nanzwiese im Stadtteil Roßdorf. Am Dienstag hat der Gemeinderat entschieden, dass auf der Fläche statt eines zunächst geplanten dreigeschossigen Blocks mit Sozialwohnungen nun Container aufgestellt werden sollen.

 

Die Suche nach Ersatzflächen läuft derweil

In diesen sollen für die Dauer von drei Jahren bis zu 60 Flüchtlinge und andere Menschen mit schmalem Budget untergebracht werden. „Aufgrund der geänderten Unterbringungsart geht die Tendenz hinsichtlich des Personenkreises bei der Nanzwiese nun in Richtung Flüchtlinge“, präzisierte das Rathaus am Mittwoch seine Überlegungen. Parallel zu der ContainerNutzung will die Stadt nach Alternativflächen im Roßdorf suchen, um dort solide zu bauen und die unter einer 380 000-Volt-Leitung gelegene Nanzwiese langfristig von einer Bebauung auszusparen. Sollten allerdings keine Ersatzflächen gefunden werden, wäre laut dem Beschluss auf der Nanzwiese letztlich auch ein fester Bau nicht ausgeschlossen.

Der von den Fraktionen Liberale-Aktive Bürger-FWV und CDU ins Spiel gebrachte Containerlösung fand bei der Abstimmung 18 Befürworter. Dagegen ist die Nanzwiese für 14 Stadträte der Fraktionen Nürtinger Liste, NT 14, Freie Wähler und SPD ungeeignet. Wegen elektromagnetischer Felder melden sie gesundheitliche Bedenken gegen Wohnen unter einer Stromleitung an. „Eine Unterbringung unter einer 380-Kilo-Volt-Stromleitung ist in der heutigen Zeit nicht menschenwürdig, sondern menschenverachtend, weil ein begründeter Verdacht der Gesundheitsschädigung besteht“, sagte der Stadtrat Klaus Fischer (Freie Wähler).

Sorge vor Leukämie durch Magnetfelder

Der frühere Rektor der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen bezog sich auf Veröffentlichungen von Universitäten, der Weltgesundheitsorganisation und der Internationalen Agentur für Krebsforschung. Alle diese Veröffentlichungen, so Fischer, „betrachten Magnetfelder als krebserregend“. Insbesondere bei Kinderleukämie seien „signifikante statistische Erhöhungen zu verzeichnen“. Nicht ohne Grund, so Fischer weiter, setzten Länder wie etwa die Schweiz mit einem Mikro-Tesla oder Schweden mit 0,2 Mikro-Tesla – der Einheit zur Messung von Magnetfeldern – niedrige Grenzwerte fest.

Der in Deutschland gültige Wert liegt hingegen bei 100 Mikro-Tesla – im Fall der Nanzwiese soll er weit unterschritten sein. Die Rathausspitze zitierte aus einer Stellungnahme des Tüv: „Aufgrund der Erfahrung mit vergleichbaren Projekten ist zu erwarten, dass durch geeignete bauliche Maßnahmen sichergestellt werden kann, dass die Grenzwerte unterhalb der Leitung eingehalten werden können.“

Paket für Anschlussunterbringung umfasst vier Standorte

„Dass der Platz nicht optimal ist, bestreitet niemand“, räumte der Oberbürgermeister Otmar Heirich ein. Er warne jedoch davor, „dieses ausgeglichene Paket aufzuschnüren“. Sollten die Proteste gegen eine Belegung der Nanzwiese Erfolg haben, so die Sorge in den Reihen der Container-Fraktionen, könnte dies an anderen geplanten Standorten zu Unmut führen.

In der Gerberstraße, der Metzinger Straße und auf der Nanzwiese will die Stadt Wohnraum für rund 190 Menschen schaffen. Die 95 Plätze, die in der Grundschule Neckarhausen entstehen, können nicht mit eingerechnet werden, da die Schulbelegung nur als Zwischenlösung bis zur Fertigstellung der anderen Objekte gedacht ist.

Warnung vor Entwertung von Wohneigentum

Laut der Stadt ist die Nanzwiese derzeit das einzige städtische Grundstück mit Baurecht. Dass es folglich sofort bebaut werden könnte, war für die Ratsmehrheit ausschlaggebend, was Otto Unger (Freie Wähler) angesichts der möglichen Gesundheitsrisiken als „traurig“ bezeichnete. Die SPD-Fraktionsvorsitzende Bärbel Kehl-Maurer hegte zudem arge Zweifel, ob es am Ende tatsächlich bei einer Befristung auf drei Jahre bleibt.

Jürgen Geißler (Liberale) warnte davor , das Wohnen unter einer Hochspannungsleitung öffentlich schlechtzureden. „Wir entwerten damit ein Haus nach dem anderen“, sagte er. Im Jahr 1996 war die Stromtrasse über das Roßdorf und das Braike-Quartier von 110-Kilo-Volt auf 380-Kilo-Volt hochgerüstet worden – gegen den Widerstand von Bürgern in diesen Stadtteilen.