Die Rechtspopulisten kommen auf einen Stimmenanteil von knapp 34 Prozent. In dem Stadtteil, wo der Anteil von Spätaussiedlern an der Bevölkerung rund ein Viertel ausmacht, gibt es seit Monaten Streit über eine geplante Flüchtlingsunterkunft.

Nürtingen - Der Besuch der stellvertretenden AfD-Bundesvorsitzenden Beatrix von Storch am Freitag vor der Landtagswahl im Roßdorfer Waldheim hat offenbar Früchte getragen. Knapp 34 Prozent der Wähler in dem Nürtinger Stadtteil haben ihr Kreuzchen bei der rechtspopulistischen Partei gemacht. Die AfD ist damit die stärkste politische Kraft im Roßdorf, die CDU (rund 19,8 Prozent) und die Grünen (rund 19,5 Prozent) landen abgeschlagen auf den Plätzen zwei und drei.

 

Widerstand gegen Bebauung der Nanzwiese

Dass die AfD-Kampagne in dem Stadtteil auf besonders fruchtbaren Boden gefallen ist, hängt auch mit einem Streit über den Bau einer Flüchtlingsunterkunft auf der Roßdorfer Nanzwiese zusammen. Wie berichtet, hatte die Nürtinger Stadtverwaltung auf der Fläche bezahlbaren Wohnraum für die Anschlussunterbringung von Flüchtlingen und für andere Bürger mit geringem Einkommen schaffen wollen.

Gegen den geplanten Neubau für rund 60 Menschen, davon etwa 40 Flüchtlinge, gab es heftigen Widerstand in der Bevölkerung. Mögliche gesundheitliche Risiken durch eine Hochspannungsleitung direkt über der Nanzwiese wurden gegen das Vorhaben ebenso ins Feld geführt wie städtebauliche Argumente. Nach einem monatelangen Streit beschloss der Gemeinderat mehrheitlich eine auf die Dauer von drei Jahren begrenzte Containerlösung. Bisher sind die Container noch nicht aufgestellt.

Irrationale Ängste machen die Runde

In den Chor der Ablehnung mischten sich indessen von Anfang an auch fremdenfeindliche Töne. Gerade unter den Spätaussiedlern, die rund ein Viertel der Bevölkerung im etwa 4000 Einwohner zählenden Roßdorf ausmachen, gibt es irrationale Ängste und teils unverhohlene Drohungen. Aussagen wie etwa, dass Flüchtlinge Frauen vergewaltigen könnten und sich an Kindern vergreifen, machen die Runde. Ein Flüchtlingsbau würde nicht lange stehen, erzählt man sich in der aufgeschreckten russischstämmigen Community. Auf die aufgeheizte Stimmung machte der frühere Stadtrat Reinmar Wipper den Nürtinger Oberbürgermeister Otmar Heirich Ende Januar in einem offenen Brief aufmerksam.

In Reinmar Wippers Facebook-Gruppe „Nürtingen Roßdorf Supergeil“ ist das Wahlergebnis nun ein heißes Thema. Mit Blick auf die Nanzwiese postet aus den Reihen der Spätaussiedler der User Waldemar Lik: „Russlanddeutsche lassen sich einfach nicht verarschen von dem OB.“ Andere in der Gruppe sind entsetzt über das AfD-Abschneiden: „Das gab es hier noch nie! Was ist nur aus diesem Stadtteil geworden! Unfassbar!“ schreibt die Userin Billy Colak.

In Pforzheim und Rastatt ist die Lage ähnlich

Das Nürtinger Roßdorf ist beileibe kein Einzelfall im Land. Im Pforzheimer Stadtteil Haidach beispielsweise, wo die Spätaussiedler die Mehrheit bilden, liegt die AfD sogar bei 43,2 Prozent. Vergleichbar ist die Situation auch in Rastatt, wo die Rechtspopulisten im Bezirk Rheinau-Nord auf rund 41,2 Prozent kommen.

Reinmar Wipper warnt indessen davor, die Spätaussiedler über einen Kamm zu scheren. Es gebe im Roßdorf auch eine breite Schicht von Wohnungseigentümern ohne Migrationshintergrund, „die fremdenfeindlich sind, weil sie nicht teilen wollen“. An die Adresse Otmar Heirichs appelliert der frühere Stadtrat (Nürtinger Liste/Grüne): „Zuerst muss man die Ängste der Menschen ernst nehmen und sie anhören, dann mit ihnen reden. Das haben einige Kandidaten sowie die Stadtverwaltung bislang nicht getan.“ Heirich hat angekündigt, mit einem runden Tisch auf die Sorgen im Roßdorf zu reagieren.