Der OB-Kandidat Sebastian Turner lässt sich von einem Stuttgarter Unternehmer sponsern, der sich regelmäßig an Ausschreibungen der Stadt zur Vergabe lukrativer Werberechte beteiligt – und schon in der Vergangenheit eine zu große Nähe zu Entscheidern gesucht hat.

Stuttgart - Vor zweieinhalb Jahren hat die Schwäbische Wohnungs AG dem Stadtmöblierer Kai Ilg gestattet, auf ihrem rund 2000 Quadratmeter großen Grundstück auf dem A-1-Gelände an der Ecke Heilbronner/Wolframstraße ein 26 Meter hohes Baugerüst aufzustellen und dort drei Werbetafeln mit je 15 mal elf Meter Fläche zu befestigen. Von einer prangt derzeit eine Brezel, das Markenzeichen des von der CDU nominierten und von Freien Wählern und FDP unterstützten Oberbürgermeisterkandidaten Sebastian Turner.

 

Er wirbt für mehr Miteinander und für sich selbst als Bürger-OB-Kandidat. Der Außenwerber Ilg preist den Standort auf seiner Internetseite als „sehr gut“ an, täglich sei mit 85 000 Betrachtern zu rechnen. Optimal für den Kunden sei die gute Einsehbarkeit, außerdem befinde sich das Plakat in einer „täglichen Stauzone“. Entsprechend hoch ist die Miete: Laut Werbeexperten bringt ein solches Banner dem Stadtmöblierer zwischen 50 000 und 80 000 Euro pro Monat.

Der vermögende Unternehmer Turner hatte bekanntlich seinem Grünen-Rivalen Fritz Kuhn öffentlichkeitswirksam angeboten, für seinen Wahlkampf nicht mehr aufzuwenden als er. Da Kuhn aber von der Kreis- und Landespartei nach Grünen-Aussagen maximal mit 90 000 Euro rechnen kann und derzeit eine Obergrenze von 150 000 Euro als gesetzt gilt, sah sich Turners Büro am Freitag zwangsläufig mit der Bitte konfrontiert, die Plakatfinanzierung einzuordnen.

Dieses Sponsoring birgt politischen Zündstoff

Turners Sprecher Stephan Schorn sagte auf Anfrage der StZ, das Plakat werde zwei Wochen hängen – und zwar gratis. Schriftlich teilte er mit: „Um bei den begrenzten Budgetmitteln optimale Wirkung zu erreichen“, habe man nach nicht belegten Plakatflächen gesucht, um dort in den Phasen, in denen die Flächen nicht an kommerzielle Auftraggeber vergeben sind, Plakate zum Preis der Produktionskosten – also Druck und Aufhängung – anzubringen. Diese Art von Plakatflächennutzung sei bei vielen nicht kommerziellen Organisationen üblich. „Die Plakatfläche an der Heilbronner Straße ist gegenwärtig nicht kommerziell belegt und wurde deswegen freundlicherweise zur Verfügung gestellt.“ Im Hause Turner geht man folglich davon aus, dass die Fläche einen Gegenwert von null Euro habe. Die Frage, ob der nicht gemeinnützige Wahlkampf-Verein der Parteien, die Turner unterstützen, das Geschenk wegen des geldwerten Vorteils beim Finanzamt anmelden müsse, blieb unbeantwortet.

Fest steht: Dieses Sponsoring birgt politischen Zündstoff. Der aussichtsreiche Bewerber um die Schuster-Nachfolge lässt sich nämlich durch die Überlassung der Plakatfläche aktiv von einem Stuttgarter Unternehmer sponsern, der mit der Landeshauptstadt in einem Vertragsverhältnis steht, sich regelmäßig an Ausschreibungen der Stadt zur Vergabe lukrativer Werberechte beteiligt und schon in der Vergangenheit eine zu große Nähe zu Entscheidern gesucht hat, wie Turner im Falle seiner Wahl zum Stadtoberhaupt einer würde.

Zur Erinnerung: Vor drei Jahren hat der Technische Ausschuss des Gemeinderats der Ilg Außenwerbung das Recht zur Bestückung von 620 Litfaßsäulen in der Stadt mit einem Jahresumsatz von 2,8 Millionen Euro zugesprochen; die Stadt ist zu 60 Prozent am Umsatz beteiligt. Als skandalös empfand man im Rathaus, dass Ilg im Vorfeld der Vergabe nicht nur Stadträte, sondern auch die für die Ausschreibung des Millionenvertrags zuständigen Amtsleiter und Bürgermeister samt Frauen und Kindern zum Tennisturnier in die Porsche-Arena eingeladen hatte und sie dort durch einen Sternekoch verwöhnen lassen wollte. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen Bestechung; sie erließ damals einen Strafbefehl. Diese Umstände seien ihm nicht bekannt gewesen, räumte der CDU-Kreischef Kaufmann ein. Das Plakatgeschenk gehe in Ordnung. Das Brezel-Symbol rufe „Stuttgart zu einem neuen Miteinander auf“.