Der griechische Premier Giorgos Papandreou hält an seinen Plänen fest. Unterdessen bröckelt der Rückhalt aus dem Parlament.

Athen - Besonders ausgeruht wird der griechische Premier Giorgos Papandreou nicht gewesen sein, als er am Mittwoch zum Krisentreffen mit Angela Merkel und Nicolas Sarkozy in Cannes eintraf. Denn bis um drei Uhr früh hatte in der Nacht zuvor in Athen das Kabinett getagt. Als die Runde nach der achtstündigen Marathonsitzung auseinanderging, hatte Papandreou zwar die Rückdeckung der Minister für seine geplante Volksabstimmung über das Rettungspaket, aber schon die Dauer der Krisensitzung zeigt: in der sozialistischen Regierungspartei wird heftig um den richtigen Kurs gerungen.

 

Mindestens drei Minister, so hört man aus Teilnehmerkreisen, sollen Widerspruch gegen das Referendum angemeldet haben. Kritik löste auch aus, dass der Premier offenbar niemanden in seine Pläne eingeweiht hatte, bevor er die Volksabstimmung am Montagabend völlig unerwartet in einer Fraktionssitzung ankündigte. Auch die europäischen Partner wurden überrascht - auch wenn Papandreou im Kabinett versicherte, er habe die EU-Regierungen "rechtzeitig informiert". In Berlin und den anderen europäischen Hauptstädten gibt es dafür keine Bestätigung.

Vor seinen Ministern begründete Papandreou noch einmal, warum er die Griechen darüber abstimmen lassen will, ob sie den Rettungsring der Europäer ergreifen oder zurückwerfen wollen: "Das ist unsere demokratische Tradition, und wir verlangen, dass sie auch im Ausland respektiert wird." Das klingt schön. Aber was wäre, wenn auch die anderen europäischen Länder ihre Völker darüber abstimmen lassen würden, ob sie den Griechen Hilfskredite überweisen wollen? Dann wären die 65 Milliarden Euro, die Athen seit dem Frühjahr 2010 bereits erhalten hat, vermutlich nicht geflossen. Doch Papandreou scheint nicht bereit, sich umstimmen zu lassen: "Wir werden kein Programm zwangsweise umsetzen, sondern nur mit dem Einverständnis der griechischen Bevölkerung", sagte er im Kabinett.

Ein verunsichertes Land bleibt zurück

Als der Premier am Mittwoch an die französische Riviera aufbrach, ließ er ein zutiefst verunsichertes Land zurück. Ratlosigkeit sprach aus den Schlagzeilen der griechischen Zeitungen: "Griechenland gerät ins Trudeln", titelte das Massenblatt "Ta Nea". Die Wirtschaftszeitung "Imerisia" kam mit dem Titel "Alles in der Schwebe" an die Kioske. "Die Regierung taumelt, alles ist im Fluss" lautete die Überschrift der Zeitung "Kathimerini". Sogar regierungsnahe Zeitungen sparten nicht mit Kritik: die linksgerichtete "Eleftherotypia" bezeichnete Papandreou als "Herrscher des Chaos", die Boulevardzeitung "Ethnos" sieht "Regierung und Land vor dem Nervenzusammenbruch". Auch in Papandreous Panhellenischer Sozialistischer Bewegung (Pasok) brodelt es. Mehrere führende Genossen forderten Papandreou zum Rücktritt auf. Die Regierung habe ihre "politische Legitimation" verloren, die Pläne für den Volksentscheid zeugten von "beispielloser Verantwortungslosigkeit".

Bevor er seine Volksabstimmung veranstalten kann, muss Papandreou erst eine andere Hürde nehmen. Am Mittwochnachmittag begann im Athener Parlament die Prozedur, die zu der von Papandreou beantragten Vertrauensabstimmung führen soll. Die Vertrauensfrage betrifft eigentlich nur Papandreous eigene Partei: er will seine Fraktion auf Vordermann bringen. Aus den Reihen der Oppositionsparteien kann er keine Unterstützung erwarten, wenn nach dreitägiger Debatte am Freitag um Mitternacht die Abstimmung beginnt. Jeder Abgeordnete muss dann, wenn der Parlamentspräsident seinen Namen aufruft, mit deutlicher Stimme "Nai" (Ja) oder "Ochi" (Nein) sagen. "Paron" (anwesend) bedeutet Enthaltung.

Die Abstimmung ist öffentlich

Die Abstimmung ist also namentlich und öffentlich. Das könnte zur Disziplin in der Regierungsfraktion beitragen. Dennoch wird das Votum für Papandreou zur Zitterpartie. Bei der letzten Vertrauensabstimmung im Juni zählte seine Fraktion noch 155 Mitglieder. Inzwischen ist seine Mehrheit auf 152 der 300 Sitze zusammengeschmolzen. Mindestens 151 Stimmen braucht er. Verliert der Premier das Votum, werden die politischen Karten in Griechenland neu gemischt. Entweder müssen sich die Parteien dann zu einer "Regierung der nationalen Einheit" zusammenraufen oder, und das ist wahrscheinlicher, Griechenland steht vor Neuwahlen.

Spricht die sozialistische Fraktion Papandreou noch einmal das Vertrauen aus, sollen sofort die Vorbereitungen für die Volksabstimmung beginnen. Dazu beschloss das Kabinett die Einsetzung einer Kommission. Sie muss vor allem klären, welche Frage der Bevölkerung zur Entscheidung vorgelegt werden soll.

Papandreou wird die Bürger sicher nicht darüber abstimmen lassen, ob sie noch mehr Steuern zahlen, weitere Rentenkürzungen erdulden und neue Einschnitte bei den Einkommen hinnehmen wollen. Stattdessen dürfte der Premier versuchen, die Fragestellung so zu formulieren, dass die Chancen auf ein Ja steigen - etwa wenn die Frage lautet: "Soll Griechenland in der Eurozone bleiben?" Die Volksabstimmung werde "eine klare Nachricht für den Euro" sein, sagte Papandreou. Das klingt allerdings doppeldeutig - schließlich wäre auch ein Nein eine "klare Nachricht". Ob Papandreou die Folgen eines solchen Ausgangs ausreichend bedacht hat, fragt man sich jetzt nicht nur in Griechenland.

Regierungssprecher Ilias Mosialos kündigte unterdessen an, das Votum könne bereits im Dezember stattfinden - und nicht erst Anfang 2012, wie es bisher hieß. Immerhin verkürzt das die Zeit der quälenden Ungewissheit ein wenig.