Paul Ripke kommt Popstars und Fußballern ganz nah. Was Reporter Herbert Zimmermann mit seiner Stimme („Aus, aus, aus, das Spiel ist aus“) für das Wunder von Bern war, ist Paul Ripke mit seinem Auge für die Mannschaft von 2014. Dabei hilft ihm auch seine große Klappe.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Nachdem die letzten Hupen des bundesdeutschen Autokorsos nach der Nacht von Rio verklungen waren, stellte sich halb Fußballdeutschland vor zwei Jahren eine Frage: Wer war eigentlich dieser vollbärtige Zausel, der nach dem Finale wie ein Flummie über das Spielfeld in Rio schoss und dabei Bilder für die Ewigkeit von den Fußballweltmeistern lieferte?

 

Die Antwort verwunderte. Der Fotograf hieß Paul Ripke und war zuvor nicht als Sportfotograf aufgefallen, sondern als Rapper-in-Szene-Setzer, als bessere visuelle Hälfte von Marten Laciny alias Marteria. Mit dem Rapper aus Rostock, dem Herbert Grönemeyer der Generation Hip-Hop, der übrigens selbst einst auf hohem Niveau Fußball gespielt und es bis auf in die deutsche U17-Nationalmannschaft geschafft hatte, verbindet Ripke eine enge Freundschaft. „Unser erster Abend endete nach zahllosen Jägermeistern mit Zungenküssen an der Bar. Es war Liebe auf den ersten Blick“, sagt Ripke. Diese Anekdote veranschaulicht Ripkes Herangehensweise an die Stars: große Klappe, keine Berührungsängste, geringe Brennweite.

Mit Marteria reiste Ripke einmal um die halbe Welt

Mit Marteria reiste der 35-Jährige fünf Wochen um den halben Erdball. „Das ist bei uns immer eine Mischung aus Freundschaft und Arbeitsausflug. Wir verstehen uns blind, haben die gleichen Ziele, finden die gleichen Songs gut, finden die gleichen Schnitte stark. Wir ticken genau gleich, das hilft auch bei der Arbeit.“ Wie wechselt man aber das Genre, von der Popmusik zum Fußball? Wie begann Ripkes Weltmeister-Karriere? „Mit viel Zufall und ganz viel Glück. Ich habe bei einem Hamburger Textilunternehmen als Fotograf gearbeitet. Über diesen Zulieferer kam dann der erste Kontakt zum DFB, für die habe ich alle Autogrammkarten gemacht und hinten raus durfte ich nach Rio.“

Dabei ist Ripke nicht einmal ausgebildeter Fotograf, sondern Autodidakt. Sein Vater, ein Allgemeinmediziner und Hobbyfotograf, brachte ihm die Fotografie nahe. Seine Mutter arbeitete für kurze Zeit in der Kanzlei von Otto Schily. Wie viel Einfluss hatte der ehemalige Innenminister auf seine Erziehung? „Gar keine. Meine Mutter ist damals bald weg aus seiner Kanzlei, weg vom Strafrecht, hin zum Familienrecht. Meine Eltern hatten aber natürlich einen großen Einfluss auf mich. Ich habe das Feuer auch mal anfassen müssen, bevor ich gerafft habe, dass es heiß ist. Ich durfte viel Quatsch machen, bevor es Ärger gab.“

Zu Stuttgart hat Ripke ein ganz besonderes Verhältnis

Quatsch ist eines der Lieblingswörter von Ripke, Quatsch machen, Quatsch reden. Mit seiner Frechheit knackt er die Stars, die – egal ob Fußballer oder Rapper – scheinbar froh sind, wenn einer mal nicht devot nach dem Mund redet, sondern selbst ein loses Mundwerk hat. „Es sind nicht die Fotos, es ist die Balu-der-Bär-Trottel-Nummer, die alle ganz nett finden“, umreißt Ripke sein Erfolgsrezept. Und was macht nun mehr Spaß, Fußball oder Pop in Szene zu setzen? „Die Mischung ist das Geile, die Abwechslung. Dass man wechseln kann, ist das Glück meines Lebens.“

Zu Stuttgart hat der gebürtige Heidelberger übrigens ein ganz besonderes Verhältnis. „Ich hatte vor Jahren eine Freundin in Stuttgart und habe viel Zeit hier verbracht. Später durfte ich als Festivalfotograf die Hip-Hop-Open dokumentieren. Zum Beispiel stand ich direkt daneben, als Azad Sido die Maske aus dem Gesicht geschlagen hat. Ich habe Fotos davon, die ich aber nie veröffentlicht habe, bis heute, genauso wie ich aus Rio Bilder habe, die ich nie veröffentlichen werde. Vertrauen ist am Ende die wichtigste Währung.“

Ripke fotografiert jetzt auch die Formel 1

Mit Johannes Graf von Strachwitz, genannt Strachi, dem Pop-Player und Netzwerker, verbindet Rikpe eine Freundschaft. „Strachi ist ein sehr guter Freund, der einen mit seiner Umtriebigkeit ansteckt. Die Guten trifft man eben immer wieder.“ Strachwitz, der in Stuttgart mit der Marke 0711 ein Unterhaltungs-Imperium aufgebaut hat und seit einigen Jahren auch Fußballer managt, hat Ripke auch mit Thomas Tuchel zusammengebracht, den Exil-Stuttgarter in Diensten von Borussia Dortmund. „Tuchel bewundere ich privat, von dem gibt es aber kein Bild von mir. Für den sind Fotos nicht so wichtig. Der will Titel holen.“

Von Stuttgart aus hat sich kürzlich auch ein neues Geschäftsfeld für Ripke aufgetan: die Formel 1. „Nico Rosberg hat angerufen und gemeint, dass er ein paar Bilder braucht. Dann hat er mir auch noch seinen Instagram-Kanal überlassen. Das ist natürlich megageil.“ Und wie geht diese Kooperation nun weiter? „Wir denken von Rennen zu Rennen“, sagt Ripke in astreinem Sportlersprech.

Derzeit tourt Ripke mit seinen Bildern durch Deutschland, am Mittwoch ist er in Stuttgart

Derzeit tourt Paul Ripke mit seinem Bildband „One Night in Rio“ durch Deutschland. In Cinemaxx-Kinos zeigt er seine Mannschafts-Fotos, am Mittwoch gastiert er in Stuttgart im Kino an der Liederhalle. Wie lief die Tour bisher? „Teilweise super, teilweise gar nicht. In Augsburg, in Kiel oder in Göttingen kamen nur 50 Leute. In München dafür 500, in Hamburg bei meinem Heimspiel 1000 Leute“, so Ripke. Der Fotograf ist spätestens seit Rio selbst ein kleiner Popstar, dank der sozialen Medien hat er vor allem in den Großstädten eine loyale Fangemeinde. „Je weiter es rausgeht, desto weniger Follower habe ich. Mein Plan, neue Leute zu erreichen, ist also eher nicht aufgegangen. Es gab kein Laufpublikum, das ins Kino stolpert und sagt, heute gucke ich mir mal die Fotos von dem an.“ Das sei aber Jammern auf hohem Niveau. „Es sind Leute da, die mit einem Grinsen rausgehen, das ist also alles cool“, sagt Ripke, um dann noch einen typischen Ripke herauszuhauen, der seine Tour selbstironisch auf den Punkt bringen soll: „Living the dream in 2-Sterne-Hotels in Bielefeld.“

Dabei kokettiert der 35-Jährige natürlich wieder maßlos. Bei Instagram hat er über 100 000 Abonnenten, seine Gaga-Videos auf Snapchat finden Beachtung. Der Twitter-Kanal Paul Rippé, eine Ripke-Persiflage, von der nicht wenige denken, dass der Fotograf selber dahintersteckt („Ich? Nein. Niemals. Hast du vielleicht noch eine andere Frage?“), gehört zum lustigsten, was der Kurznachrichtendienst zu bieten hat. Auf den digitalen Kanälen nimmt Paul Ripke seine Fans mit auf seine Expeditionen. Mit Ripke unterwegs zu sein bedeutet ewiges Schullandheim, digital nachbearbeitet in einer Hochglanzversion für die Millenials, die immer in der richtigen, in der coolen Ecke des Pausenhofs standen.

One night in Paris scheint kein glücklicher Titel für mögliche EM-Fotos zu sein

„Die sozialen Medien tun so Typen wie mir sehr gut. Ich habe schon vor vielen Jahren einen Video-Blog betrieben, Schwachsinn und Quatsch, das funktioniert heute noch viel besser.“ So bindet er seine Fans an sich: „Wenn ich ein Buch rausbringen will, kann ich das selber machen ohne Verlag, der sich 70 Prozent des Preises krallen würde. Wenn das direkt über mich läuft, finde ich das viel sympathischer, da kann ich es günstiger machen. Das honorieren die Leute, für so was ist Social Media natürlich geil.“

Was Reporter Herbert Zimmermann mit seiner Stimme („Aus, aus, aus, das Spiel ist aus“) für das Wunder von Bern war, ist Paul Ripke mit seinem Auge für die Mannschaft von 2014. Wird es nun eine Fortsetzung in Frankreich geben, wird Ripke die Spieler bei der EM wieder bis in die Kabine begleiten? „Nein, das glaube ich nicht. Die EM verfolge ich als Fan vor dem Fernseher. Rio wird für mich nie wieder zu topen sein. Außerdem wäre ,One Night in Paris’ auch kein ganz so glücklicher Titel“, sagt Ripke, und lacht sein dröhnendes Ripke-Lachen, weil er sich selbst über den Titel-Witz am meisten freut – „One night in Paris“ hieß das Sex-Video, in dem Hotel-Erbin Paris Hilton beim Liebesspiel zu sehen war.

Vom Matratzensport zurück zum großen Sport: Nach Ripkes Lachanfall folgt ein Moment der Stille. Danach relativiert er seine Pläne für die EM. „Beim letzten Mal hat der DFB auch erst zwei Tage vor dem Finale angerufen. Mein Handy ist an. Wenn sie mich brauchen, bin ich da.“ Klingt nach der Fortsetzung des visuellen Rio-Märchens. Ein passender Titel dürfte sich für den Fall der Fälle dann bestimmt auch noch finden.