Die Fraktionen im Cannstatter Bezirksbeirat zeigen Verständnis für die beruflichen Ambitionen ihres Chefs, Thomas Jakob. Zugleich warnen sie den Bezirksvorsteher vor einer Bauchlandung.

Bad Cannstatt - Weit liegen Göppingen und Bad Cannstatt nicht auseinander: 35 Minuten dauert die Autofahrt, 30 Minuten braucht der Regionalexpress für die gut 40 Kilometer lange Strecke. Auch was die Größe betrifft sind die Hohenstaufenstadt und Stuttgarts größter Stadtbezirk vergleichbar. Nicht zuletzt gebe es auch in Göppingen Sauerwasser, ergänzt der Cannstatter Bezirksvorsteher Thomas Jakob. Was ihn an der östlich der Landeshauptstadt gelegenen Kreisstadt reizt sind aber weniger die Gemeinsamkeiten denn die Unterschiede.

 

Für Jakob liegen Welten zwischen den beiden Orten – zumindest beruflich. „Göppingen ist selbstständig“, nennt Jakob den ausschlaggebenden Pluspunkt. Und ja, er denke über eine Kandidatur bei der im Oktober anstehenden Oberbürgermeisterwahl in Göppingen nach. Als Oberbürgermeister einer Großen Kreisstadt habe man ganz andere Gestaltungsmöglichkeiten, begründet Jakob: „Ein Bezirksvorsteher kann nur versuchen, in den Gemeinderat, die Ausschüsse und die Fraktionen hineinzuwirken.“ Ein Oberbürgermeister dagegen könne direkt mit den Fraktionen verhandeln und Entscheidungen herbeiführen. Dieser Herausforderung wolle er sich stellen. „Wer im politischen Raum tätig ist sieht auch die Chancen anderer politischer Ämter.“

Annäherung an SPD und Grüne im Bezirksbeirat

Es sei weder ungewöhnlich noch anstößig, Gespräche zu führen – im Gegenteil: „Gesprächen sollte man sich nie verschließen. Eine Demokratie lebt von Alternativen.“ Eine Entscheidung, betont Jakob, stehe aber noch aus. Zurzeit stehen Gespräche und Treffen mit Vertretern aller Fraktionen des Göppinger Gemeinderats an – immerhin wurde der CDU-Mann Jakob wie berichtet als Gegenkandidat zum parteilosen Amtsinhaber Guido Till von der Göppinger SPD aufs Tapet gebracht.

Die Cannstatter SPD ist über diese ungewöhnliche Konstellation wenig verwundert. Thomas Jakob vertrete zwar nicht in breiten Punkten sozialdemokratische Positionen, sei in Bad Cannstatt aber doch in wichtigen Punkten auf SPD und Grüne zugegangen, zuletzt insbesondere bei den Themen Immigration und autofreier Marktplatz, sagt der Fraktionssprecher Stefan Conzelmann. Der Vorstoß von Jakob überrascht ihn ebenso wenig, hatte sich der Cannstatter Bezirksvorsteher doch bereits vor eineinhalb Jahren für das Amt des Oberbürgermeisters in Bad Mergentheim beworben. „Dagegen ist auch nichts zu sagen“, erklärt sich Conzelmann solidarisch mit den beruflichen Plänen. Problematisch wäre seiner Ansicht nach allerdings, würde sich Jakob wie damals im Main-Tauber-Kreis aus taktischen Überlegungen wieder aus dem Kandidatenkarussell zurückziehen, nachdem seine Ambitionen nun bereits öffentlich bekannt sind. Eine Wahl zu verlieren sei Teil einer Demokratie. Aus Angst vor einer Niederlage gar nicht erst anzutreten würde zu Recht für Verwirrung in Bad Cannstatt sorgen, findet Conzelmann: „Er sollte das jetzt durchziehen, auch wenn er möglicherweise am Schluss unterliegen sollte.“

Bezirksvorsteher-Posten darf kein Sprungbrett werden

Das sieht Jakobs Parteifreund Roland Schmid anders. „Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass der Posten des Bezirksvorstehers nur ein Sprungbrett ist“, sagt der Vorsitzende der Cannstatter CDU. Das Amt des Bezirksvorstehers sei nicht ohne Grund eine Beamtenstelle, die auf lange Zeit angelegt sei: „Man muss in diese Position hinein wachsen, und das braucht Zeit“, sagt Schmid. Nichtsdestotrotz habe Jakob seit seinem Amtsantritt 2006 bereits wichtige eigene Akzente gesetzt, unter anderem mit seinem Einsatz für das Theaterschiff und seinem Engagement für die Cannstatter Netzwerkerinnen. „Für die CDU Bad Cannstatt war Thomas Jakob immer ein guter Ansprechpartner, den wir nicht verlieren wollen“, sagt Schmid. Persönlich kann er die Ambitionen aber durchaus nachvollziehen. „Das ist keine Entscheidung gegen Bad Cannstatt, sondern für eine berufliche Entwicklung“, ist Schmid überzeugt. Als Freund werde er Thomas Jakob aber raten, genau zu prüfen, ob der Posten in Göppingen die richtigen Perspektiven biete.