Die ZDF-Reportage „Ohne Eltern im fremden Land“schildert, wie drei junge Flüchtlinge in Deutschland leben. Die Jugendlichen integrieren sich in Schule und Arbeit, aber ihr Schicksal ist ungewiss.

Stuttgart - Samir lebt seit über einem Jahr in Deutschland. „Unter den Deutschen gibt es eine Einheit“, sagt er, „die ich in Afghanistan vermisse.“ Auf seinem Bett liegt ein großer Teddybär, an der Wand hängt eine kleine Deutschland-Fahne. Samir gehört der schiitischen Minderheit in Afghanistan an. Im Alter von 15 Jahren floh er mit der Mutter und seinem kleinen Bruder vor den Taliban; der Vater ist tot. Im Iran wurde er von seiner Familie getrennt, was genau geschah, erfährt man nicht.

 

Der Junge schlug sich alleine durch, kam über die Türkei per Boot nach Griechenland, dann weiter über Italien, die Schweiz und Frankreich nach Deutschland. Nun lebt er in einer Wohngruppe der Caritas in Wiesbaden, spricht bereits nahezu fließend Deutsch, besucht eine Realschule und macht in den Ferien verschiedene Praktika. Sein Vorarbeiter in der Autowerkstatt ist „sehr zufrieden“ mit ihm.

Rundumbetreuung

Das ZDF-Format „37°“ stellt seit 1994 im wöchentlichen Rhythmus einzelne Menschen und ihre besonderen Geschichten in den Mittelpunkt. Ulrike Schenks konventionelle Reportage „Ohne Eltern im fremden Land“ ragt da nicht besonders heraus, aber es geht um ein bedeutsames Thema: um „unbegleitete Flüchtlinge“. Knapp 70 000 Minderjährige werden derzeit in Deutschland von der staatlichen Jugendhilfe betreut, 4000 bis 4500 Euro koste die monatliche „Rundumbetreuung“, heißt es im Film, der allerdings keinen Gesamt-Überblick oder eine politische Analyse liefern will, sondern sich auf Fall-Beispiele beschränkt.

Schenk hat drei Jugendliche ausgewählt, die schon in kurzer Zeit große Fortschritte bei der Integration gemacht haben. Positive Beispiele also, die den Blick darauf lenken sollen, dass es letztlich immer um individuelle Schicksale geht. Das ist in der aufgeheizten Debatte sicher nicht verkehrt. Überzeugender wäre es gewesen, die Jugendliche noch häufiger selbst zu Wort kommen zu lassen.

Die Betreuer sind wichtig

Eine wichtige Rolle spielen die persönlichen Betreuer, darunter sind auch Ehrenamtliche wie der pensionierte Lehrer Wolfram Bradenstahl, der die Vormundschaft für den 16-jährigen Abdi aus Somalia übernommen hat. Abdi musste mit ansehen, wie Milizionäre seinen Vater erschossen. Nach einer über einjährigen Odyssee lebt er nun in einer Wohngruppe des Deutschen Roten Kreuzes in Hamburg, lernt für seinen Hauptschul-Abschluss und kickt in der HSV-Jugend. Abdis größte Hoffnung: Dass auch seine in einem Flüchtlingslager in Kenia lebende Familie nach Deutschland kommen kann. Die Ausländerbehörde will der Mutter die Einreise erlauben, seinen jüngeren Geschwistern allerdings nicht.

Deutlich wird vor allem, dass die Jugendlichen unter dem langen Asylverfahren leiden. Nach einem Jahr hat Samir nicht mal einen Anhörungstermin und muss stattdessen erneut zur erkennungsdienstlichen Behandlung, weil die bei der Einreise an der Grenze erhobenen Daten beim Bundesamt für Migration nicht vorliegen. Yeshi, eine junge Frau aus Tibet, ist da schon weiter. Ihre Anhörung ist allerdings schon mehr als ein Jahr her, ohne dass sie einen Bescheid hätte.

Hoffen auf eine Ausbildung

Yeshi macht mit der deutschen Sprache Fortschritte, hat sich bei einem Praktikum in einem Münchener Krankenhaus bewährt und hofft auf eine Ausbildung zur Krankenschwester. Aber „das Thema Abschiebung ist allgegenwärtig“, sagt der Sprecher aus dem Off. Auch Samir, der Junge aus Afghanistan, wünscht sich „Sicherheit“ und einen „Aufenthaltstitel“. Falls er nicht in Deutschland bleiben dürfe, „waren viel Arbeit, Kosten und Bemühungen um seine Integration umsonst gewesen“, kommentiert die Autorin.