Erst Sportgymnastik, dann Turnen: Stuttgart ist für den Weltverband Fig ein bewährter Austragungsort.

Sport: Gerhard Pfisterer (ggp)

Stuttgart - So schwierig zu verstehen ist die Rhythmische Sportgymnastik dann eigentlich doch wieder nicht. Letztlich lässt sich alles auf eine einfache Faustformel bringen: Dutzende von Athletinnen turnen mit Reifen, Ball, Keulen sowie Band – und am Ende gewinnt immer Russland. So war das auch vergangene Woche bei den Weltmeisterschaften in der Stuttgarter Porsche-Arena mit 279 Teilnehmerinnen aus 57 Nationen. In allen sechs Medaillenentscheidungen im Einzel siegten die Russinen – und am Wochenende zudem in zwei von drei bei den Gruppen.

 

Während nebenan auf dem Cannstatter Wasen zurzeit alles für das Volksfest vorbereitet wird, feierten die Zuschauer in der Porsche-Arena in den letzten WM-Tagen vorab schon mal eine Multikultiparty. Nach dem viertägigen Qualifikationsmarathon mit spärlichem Besuch und Gerätefinals vor halb vollen Rängen änderte sich das Bild auf der Tribüne. Von Freitag bis Sonntag machten besonders auch in Fanbussen angereiste Schweizer und Franzosen sowie Spanier, Italiener, Brasilianer, Russen und Japaner die Halle zum Hotspot.

Eine respektable Resonanz

Am Freitagabend sahen 4500 Zuschauer Jana Kudrjawzewas Triumph im Einzel-Mehrkampf. Am Samstag war die Porsche-Arena beim Erfolg Russlands im Gruppen-Mehrkampf mit 5000 Besuchern ausverkauft. Und am Sonntag sicherten sich Italien (mit fünf Bändern) und Russland (mit zwei Reifen/sechs Keulen) vor 4500 Zuschauern die letzten zwei Titel der 34. WM.

Insgesamt verzeichneten die Organisatoren vom Deutschen Turner-Bund (DTB) und Schwäbischen Turnerbund (STB) in ihren elf Veranstaltungsteilen an sieben Tagen 35 000 Zuschauer, wobei es in der Halle nach etwas weniger aussah. „Wir haben sehr genau gezählt, die Zahlen sind belastbar“, sagte Jörg Hoppenkamps vom STB. So oder so ist die Resonanz respektabel, zumal die Deutschen im Kampf um die Medaillen keine Rolle spielten.

Die Medaillenregion im Visier

Im Einzel wird das wohl auch so bleiben. Im Gruppenwettbewerb lautet die DTB-Vereinbarung mit dem Deutschen Olympischen Sportbund indes, bis spätestens 2024 in die Medaillenregion vorzudringen. Dazu sollen die Sportlerinnen älter werden, also länger dabeibleiben. „Sie sollen das schwierige Thema Leistungssport und Schule hinter sich haben. Dann können wir auch andere Förderressourcen, die der Leistungssport in Deutschland bietet, wie die Sportfördergruppe der Bundeswehr nutzen“, sagte der DTB-Sportdirektor Wolfgang Willam.

Zudem ist personelle Verstärkung mit Spezialisten angedacht. Am Bundesstützpunkt in Fellbach-Schmiden, wo die besten deutschen Athletinnen trainieren, hat es im Skandaljahr 2014 schon spürbare Veränderungen gegeben. Daneben wurden für die Trainerinnen verbindliche Verhaltensregeln festgehalten. „Da gibt es null Toleranz“, sagte Wolfgang Willam.

Die deutsche Gruppe enttäuscht

Enttäuscht war er über das Abschneiden der deutschen Nationalgruppe. Diese verpasste am Samstag mit dem zehnten Platz im Mehrkampf die direkte Olympiaqualifikation für Rio 2016 knapp. Sie muss damit – wie die beiden Einzelathletinnen Jana Berezko-Marggrander und Laura Jung – den Umweg über das olympische Testturnier nächsten April in Rio gehen. „Da werden wir das schaffen. Es ist nicht Plan A, aber wenigstens Plan B und nicht Plan C“, sagte die Teamchefin Katja Kleinveldt. Am Sonntag belegte die deutsche Formation im Gerätefinale mit zwei Reifen/sechs Keulen den siebten Platz.

Bruno Grandi, der Präsident des Turnweltverbandes Fig, unterschrieb dann noch mit dem DTB-Präsidenten Rainer Brechtken den offiziellen Vertrag für die Weltmeisterschaften im Turnen 2019 in Stuttgart. „Die Atmosphäre war fantastisch, Stuttgart ist für uns als Fig eine wichtige Stadt“, sagte der 81-Jährige. Der größte Teil seiner Rede zum WM-Abschluss drehte sich jedoch um die Jurybewertungen, die er erneut scharf kritisierte. Es gab auch in Stuttgart etliche schwer nachvollziehbare Entscheidungen. „Ich bin kein Diplomat, sorry. Die Liste der Probleme ist lang. Ich will Gerechtigkeit in den Sport hineinbringen“, sagte er. „Die RSG ist fantastisch, aber für die Zuschauer zu kompliziert zu verstehen.“ Also doch!