Der Amtschef im Staatsministerium, Daniel Rousta, wollte „die Sprache des Netzes“ sprechen und vergriff sich im Ton. Die Konsequenzen sind hart – zu hart, finden manche.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Nach dem Rauswurf bekam Daniel Rousta Zuspruch zuhauf. Dutzendfach meldeten sich Freunde auf seiner Facebook-Seite, um ihm Trost zu spenden oder ihr Unverständnis auszudrücken. Völlig überzogen sei es, so der Tenor, dass Minister Nils Schmid seinen Ministerialdirektor (beide SPD) wegen dessen flapsiger Internetkommentare („FDPisser“) entlassen habe; eine Rüge hätte gereicht. Da wünsche man sich authentische Politiker, doch wenn sich einer mal unverstellt äußere, werde er gleich gefeuert. Im Netz sei die Sprache eben etwas härter als im realen Politikbetrieb. Eher in der Minderheit waren jene Stimmen, die dazu mahnten, auch online ein gewisses Niveau zu wahren – Piraten hin oder her.

 

Hier das Netz, da die Politik – er habe sich als „Wanderer zwischen den Welten“ versucht, resümierte Rousta selbst. Oft 16 Stunden am Tag sei er als „der Herr MD mit großem Popanz, Dienstwagen und Landeswappen“ unterwegs gewesen. Zwischendurch habe er per Handy oder iPad ein Publikum ansprechen wollen, das die Politik schon lange nicht mehr erreiche: die „Generation Internet“. Da finde man „im Verlautbarungsstil und mit üblichen Pressekommuniqués“ kein Gehör, sondern müsse „die Sprache des Netzes sprechen“.

„Eine mediale Supersauce“

Die Gratwanderung, bekannte der Ex-Spitzenbeamte selbstkritisch, sei ihm wohl nicht immer gelungen. Er habe „hier und da zu sehr die Regeln der Politik verletzt, um den Regeln der Netzgemeinde zu genügen“. „FDPisser“ bringe auf Facebook viel Zustimmung, werde von Betroffenen wie dem Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke aber als Pöbelei empfunden. Selbst ein satirisch gemeintes rollendes „r“ werde ihm als Nazijargon angelastet, wunderte sich Rousta. Sei Fazit: „eine mediale Supersauce, für die ich selbst die Zutaten serviert habe“.

Wie unterschiedlich in Politik und Internet kommuniziert wird, hatte schon die Art der Bekanntgabe des Rauswurfes gezeigt. Gleich nach seinem Gespräch mit Schmid unterrichtete Rousta die Netzgemeinde. „Game over, Freunde“, begann gewohnt flapsig sein Facebook-Eintrag: Der Minister habe ihn informiert, „dass ihm die von FDP und CDU angestoßene Debatte über meine Facebook-Postings keine andere Wahl ließe, als mich zu feuern“. Er lamentiere nicht darüber, sondern akzeptiere es: „Okay, so ist es. Ich habe verstanden.“

Keine persönliche Würdigung

Das war am Samstag um 11.41 Uhr. Erst anderthalb Stunden später, um 13.12 Uhr, folgte die offizielle Pressemitteilung des Ministeriums. Sie war denkbar knapp, formal und emotionslos. Nach seiner Rückkehr aus Russland habe Rousta Gelegenheit erhalten, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Gleich im Anschluss daran habe Schmid entschieden, ihn gemäß „Paragraf 23, Abs. 1 Nr. 2“ Beamtenstatusgesetz zu entlassen. Eine Begründung wurde nicht genannt, schon zuvor hatte der Minister die Äußerungen scharf missbilligt.

Jegliche persönliche Würdigung fehlte. Dabei war der 38-jährige Diplomjurist einer der engsten Vertrauten des fast gleichaltrigen SPD-Chefs. Beide verbindet die Nähe zum „Netzwerk Berlin“, einem Bündnis von pragmatischen, oder, wie Kritiker sagen, karriereorientierten Genossen. Schon Roustas Arbeit als Wahlkampfmanager hatte Schmid sehr geschätzt – trotz einer parteiintern nicht unumstrittenen Kampagne – obwohl das Wahlergebnis denkbar mager ausfiel.

Keine Silbe zur Nachfolge

Nach der Fusion zum „Superministerium“ machte er den Netzwerker zum wichtigsten Mann im Wirtschaftsteil des Ressorts. Dort fremdelten manche mit seiner hemdsärmeligen Art, andere lobten den neuen, unprätentiösen Stil. Kurz vor dem Rauswurf kam sogar Zuspruch von den Wirtschaftsvertretern, deren Russlanddelegation Rousta zuletzt geleitet hatte. Das rührte den Amtschef sehr, half aber auch nichts mehr. Über die Nachfolge ließ Nils Schmid bisher keine Silbe verlauten – aber wohl nicht deshalb, weil er die Forderung der Opposition zu erfüllen gedenkt. CDU und FDP verlangten umgehend, den Posten des zweiten „MD“ im Doppelressort zu streichen. Die Begründung der Fraktionschefs Peter Hauk und Rülke war fast identisch: Die Regierung könne nicht die kleinen Staatsdiener schröpfen, aber bei den Spitzenbeamten prassen und Parteigänger versorgen. Ein Amtschef für beide Häuser müsse reichen.

Doch beim gegenwärtigen Zuschnitt der Regierung gilt das als unrealistisch. Selbst zu schwarz-gelben Zeiten gab es im Wirtschaftsressort zusätzlich zum Minister immer einen Staatssekretär. Auf den hat Grün-Rot verzichtet, umso wichtiger ist der Ministerialdirektor – intern wie extern. Aber die Personaldecke der Sozialdemokraten ist nicht so dick, dass Schmid umgehend eine Neubesetzung präsentieren konnte. Viel Zeit kann er sich nicht lassen.