Der Mercedes-Fahrer Maximilian Götz und sein Teamchef Ulrich Fritz über das schwierige erste Jahr des Piloten in der DTM und über die gemeinsame Vergangenheit mit Rosberg, Vettel und Hamilton.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart -

 
Maximilian Götz steht vor seiner zweiten Saison in der DTM, die am Samstag (16 Uhr/ARD) auf dem Hockenheimring beginnt. Mercedes-Teamchef Ulrich Fritz war mit ihm zufrieden. „Seine letzen vier Rennen waren richtig gut.“
Herr Fritz, wie zufrieden waren Sie mit der ersten Saison ihres Piloten Maximilian Götz?
Götz: Ich schließe jetzt besser meine Ohren.Fritz: Das musst du nicht, Maxi. Ich wusste, dass er das kann. Ich wusste aber auch, dass es schwer werden könnte für ihn. Die DTM ist ein Haifischbecken.
Wie meinen Sie das?
Fritz: Alle Fahrer liegen extrem eng beisammen. Da kannst du GT-Masters-Champion sein oder die 24 Stunden von Spa gewonnen haben, so wie Maximilian – in der DTM muss man sich auf etwas völlig Neues einstellen. Ich weiß noch, wie er nach seinem ersten Rennen in der Boxengasse zu mir kam und sagte: ,Die sind alle wahnsinnig hier.‘ Er hat sich am Anfang etwas schwer getan, aber ab Spielberg ist bei ihm der Knoten geplatzt. Seine letzten vier Rennen waren richtig gut, und sie geben Hoffnung für diese Saison.
Herr Götz, Sie sagten, dass Ihnen vor dem ersten DTM-Rennen etwas mulmig war.
Götz: Man kennt die Jungs und weiß, dass es kein härteres Pflaster als die DTM gibt. 24 Fahrer, alle sind Werkpiloten und alle fahren innerhalb einer Sekunde. Ich habe mir gesagt: Back erst mal kleinere Brötchen und gucke, dass du dich sauber aufstellst.
Und? Ist Ihnen das gelungen?
Götz: Ich denke, ja. Ich habe 2015 in jedem Rennen dazu gelernt, mich gesteigert und war weniger aufgeregt. So habe ich meine Leistungen immer besser auf den Punkt gebracht – das ist der Schlüssel in der DTM. Im zweiten Jahr ist die Nervosität weg.
Gibt es ganz am Anfang so einen Moment, indem man denkt: Mein Gott, ich komme den etablierten Leuten nicht hinterher?
Götz: Nun, man hat ja keine Angst vor den anderen. Vielleicht ein bisschen Respekt, aber man fährt ja nicht um sonst in der Serie mit, hat schon etwas erreicht und einen gewissen Speed. Man kann am Anfang aber gar nicht recht glauben, dass man da mit Jungs wie Gary Paffett und Mattias Ekström, die da von hinten angeschossen kommen, plötzlich mitfahren darf. Darüber habe ich anfangs im Cockpit nachgedacht, und diese Gedanken und Eindrücke kosten einen dann auch etwas Performance, das muss ich ehrlich sagen.
Sie erzählten Uli Fritz, die DTM-Fahrer seien wahnsinnig. Inwiefern?
Götz: Es ging rabiat zur Sache: erste Kurve Kontakt, zweite Kurve Kontakt, dritte Kurve Kontakt – das war neu für mich. Im Langstreckensport ist es ja erst mal so, dass man das Auto heil lassen sollte. Und es war oft auch normal, dass der Pilot einen kaputten Heckflügel oder Außenspiegel selber bezahlen musste. Also bei mir ist es so gewesen.
Herr Fritz, stellen sich Ihnen nicht die Nackenhaare auf, wenn demolierte DTM-Autos hohe Kosten produzieren?
Fritz: Auf der einen Seite ist das natürlich auch bei uns ein Budget-Thema, aber vor allem ist es eine Frage der Performance. Wenn sich ein Fahrer die Teile wegfährt, dann ist er für den Rest des Rennens nicht mehr wettbewerbsfähig. Oschersleben war im letzten Jahr ein Desaster. Die Hälfte der Autos kam aus den ersten beiden Kurven beschädigt heraus – damit kannst du kein spannendes Rennen mehr fahren.
Wer sind denn die besonders harten Kollegen in der DTM?
Götz: Alle sind irgendwo gnadenlos und keine Kinder von Traurigkeit. Jeder hält mal irgendwo rein und lässt den anderen nicht vorbei. Ellenbogen raus - das ist das Prinzip. Den Audi-Mann Edoardo Mortara würde ich etwas hervorheben, aber auch mein Mercedes-Kollege Gary Paffett ist einer, der hart zur Sache geht. Er hat sich im vergangenen Jahr ein paarmal mit den BMW-Fahrern Bruno Spengler und Martin Tomczyk angelegt. Es gibt da Piloten, die ziehen sich immer an. Es fehlt halt ein Spiegel, aber man ist durch und das Leben geht weiter. So geht Gary vor. Sehr abgekocht.Fritz: Aber auch beim BMW-Mann Timo Glock muss man sich sehr genau überlegen, ob man ihm in die Bude fährt oder ob man es lieber bleiben lässt. Es war nicht intelligent von Mortara, als Meisterschaftskandidat dem Timo ins Auto zu fahren. Das weiß man doch genau, was in der nächsten Kurve passiert – so was lässt Glock nicht mit sich machen.
Den Titel gewann dann Ihr Mercedes-Talent Pascal Wehrlein, der richtig durchgestartet ist und jetzt mit 21 Jahren Formel-1-Pilot ist. Die Karriere des neun Jahre älteren Maximilian Götz ist im Vergleich dazu eher die eines Spätberufenen.
Fritz: Einerseits sind die Karrieren tatsächlich gegenläufig, zum anderen aber auch ein ganz tolles Bespiel dafür, dass man bei Mercedes AMG den Weg in die DTM auf verschiedene Varianten finden kann. Pascal über die klassische Nachwuchsförderung in der Formel 3, und auf der anderen Seite Maximilian, der im AMG-Kundensportprogramm sehr erfolgreich war. Wer die Karriere von Max anschaut, weiß auch, was schiefgelaufen ist.
Was lief denn schief?
Fritz: Er hat Meisterschaften gewonnen und war wettbewerbsfähig, aber irgendwann war halt das Budget nicht da – da gibt es viele Beispiele im Motorsport und das ist auch das Grausame an ihm. Maximilian hatte nicht das Glück wie Pascal, also dass jemand auf ihn aufmerksam geworden ist und sich gesagt hat: ,Den krallen wir uns jetzt und unterstützen ihn‘. Aber Max hat niemals aufgegeben und trotzdem weitergemacht, das zeichnet ihn aus. Es ist auch kein Schaden, in der DTM ein paar Jahre mehr auf dem Buckel zu haben.
Herr Götz, Sie sind in den Nachwuchsklassen gegen Lewis Hamilton, Nico Rosberg und Sebastian Vettel gefahren. Auch aus Ihnen hätte womöglich ein Formel-1-Weltmeister werden können.
Götz: Im Alter zwischen 16 und 19, als ich in der Formel 3 gefahren bin, wurden die anderen Meister und ich nicht, weil ich aus finanziellen Gründen nicht im richtigen Team war. Damals habe ich mich schon gefragt, ob das jetzt alles fair ist. Aber mit 30 kann ich sagen: Es ist genauso gekommen, wie es kommen sollte. Ich bin jetzt hier in der DTM, in der ich mich sehr wohlfühle. Das ist hier jetzt für mich der Zenit. In meinem Werdegang bin ich auch mal zwei Jahre keine Rennen gefahren und habe gelernt, die Dinge zu schätzen. Das hat mich reifen lassen, auch menschlich.
Aber?
Götz: Im Nachhinein weiß ich schon, dass ich das Potenzial für die Formel 1 hatte, aber das Geld hat einfach gefehlt. Ich kenne Lewis, Sebastian und Nico, mit denen ich damals schon im Kart unterwegs war. Es war nicht abzusehen, dass sie so erfolgreich in der Formel 1 sein würden, aber ich wusste immer schon: Hey, du hast das gleiche Talent und bist mit ihnen auf einer Höhe. 2003 wurde ich in der Formel BMW Meister vor Vettel.
Tut es weh, die alten Kollegen jetzt in der Königsklasse zu sehen?
Götz: Nein. Für mich ist es etwas schade, nicht dabei zu sein, aber ich sehe es so: Ich bin jetzt in der DTM – das können die drei nicht von sich behaupten. Aber im Ernst: Es verbindet uns alle eine schöne Zeit. Wir waren damals zusammen angeln. Wir haben uns mit 14 oder 15 Jahren Angelschnüre gekauft und sie in den Hafen von Monaco geworfen. Wir haben zusammen gecampt und gezeltet und die Fische natürlich auch gegessen. Eine echt coole Zeit.
Vettel hat nach seinem Formel-BMW-Titel einen Formel-1-Test bekommen, Sie nicht.
Götz: Warum und weshalb das so war, weiß ich bis heute nicht genau. Vielleicht, weil ich mich damals mit der Tochter des BMW-Motorsportchefs Mario Theissen so gut verstanden habe (lacht). Aber Sebastian ist ein Ausnahmetalent, sonst wäre er nicht viermal Formel-1-Weltmeister geworden. Vielleicht wäre ich einen ähnlichen Weg gegangen wie er. Aber es ist jetzt so wie es ist.