Bedenkt man, dass die Gutachter allein für den Bau einer Interimsoper – ohne Ausstattung – rund 15 Millionen Euro veranschlagen (die Gesamtkosten der Sanierung werden von Fachleuten auf 400 bis 600 Millionen Euro taxiert), wäre die Anmietung eines Musicaltheaters wahrscheinlich tatsächlich günstiger. Andererseits verweist die Intendanz auf die Vorteile einer Ersatzspielstätte in der Nähe des Littmann-Baus: So könne man von der Sanierung nicht betroffene oder bereits wieder in Stand gesetzte Gebäudeteile weiter nutzen. In der Chefetage des Rathauses gibt es allerdings erhebliche Bedenken gegen einen Bau im Schlossgarten.

 

Während OB Fritz Kuhn (Grüne) die Notwendigkeit einer Interimsspielstätte in Opernnähe betont, gleichzeitig aber den Standort Eckensee als „nicht der Weisheit letzter Schluss“ bezeichnet, zeigt sein Parteifreund, der neue Baubürgermeister Peter Pätzold, klare Kante. Eine Bebauung des Oberen Schlossgartens, so hört man im Rathaus, lehnt er strikt ab. Und die Stadt, im Übrigen laut Staatsvertrag zu 50 Prozent an allen Kosten beteiligt, hat das Baurecht. Dem Land dagegen gehören die in Rede stehenden Flächen. Auch die Denkmalschützer der Stadt und beim Landesdenkmalamt sind von den angedachten Umbauplänen alles andere als begeistert.

Delegation besucht Europas modernste Opernhäuser

Derweil haben Ministerium und Intendanz nach Informationen der Stuttgarter Zeitung den Verwaltungsrat sowie sogenannte Entscheidungsträger eingeladen, sich modernste Bühnentechnik von heute einmal aus der Nähe anzuschauen: Vom 2. bis 4. November reist eine Delegation unter Führung von Ministerin Bauer und OB Kuhn nach Kopenhagen und London, um die dortigen Opernhäuser zu inspizieren und sich Anregungen zu holen. Das Royal Opera House gilt als Großbritanniens bedeutendster Musiktempel der Klassik und wurde zwischen 1996 und 2000 komplett saniert und erweitert. Die Finanzierung erfolgte aus Lotterieeinnahmen.

In der dänischen Metropole dagegen schuf ein privater Gönner 2004 auf einer Insel einen 41 000 Quadratmeter großen Neubau mit modernster Bühnentechnik, der sogar die gegenüberliegende Residenz der dänischen Monarchin in den Schatten stellt. Der auf ein Vermögen von rund 20 Milliarden geschätzte Reeder Maersk McKinney Moeller ließ dafür 340 Millionen Euro aus seiner Privatschatulle springen. Erst im Nachhinein dämmerte den Dänen, dass der Mäzen ihnen damit auch erhebliche Lasten aufgebürdet hatte. Laut der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ betragen die jährlichen vom Steuerzahler zu tragenden Betriebskosten 20 Millionen Euro. Eine andere, weltweit bekannte Oper, die im australischen Sidney, steht nicht auf dem Reiseplan der Stuttgarter Delegation, und das nicht nur wegen der hohen Reisespesen. Die Architektur des Opernhauses ist markant, die Technik und Akustik lassen aber zu wünschen übrig. Das will man in Stuttgart besser machen.