Seenotretter reichen Klage ein: Verstößt Italien gegen die Menschenrechtskonvention, wenn es die libysche Küstenwache bei der Rückführung der Flüchtlinge nach Libyen unterstützt?

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Stuttgart - Momentan warten die Seenotretter der deutschen Hilfsorganisation Sea-Watch auf eine Eilentscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Die Richter sollen urteilen, ob die 47 am Samstag vor einer Woche vor der libyschen Küste Geretteten in Sizilien an Land gehen dürfen. Das berichtete Ruben Neugebauer von Sea-Watch am Wochenende bei den Hohenheimer Tagen zum Migrationsrecht in Stuttgart. Dort stand dieses Jahr die deutsche und europäische Migrationspolitik mit Blick auf die Menschenrechte im Fokus. Neugebauer sprach vom Versuch, die Seenotrettung zu kriminalisieren.

 

Die Retter von Sea-Watch hatten am Donnerstag aus stürmischer See den Tweed „Europa wir brauchen einen sicheren Hafen“ abgesetzt. Am Wochenende zuvor waren im Mittelmeer 170 Menschen ertrunken. Die Todesrate für Menschen, die sich auf dem Seeweg von Afrika auf den Weg nach Europa machen, lag nach Auskunft von Neugebauer im September bei eins zu fünf – sprich: von fünf Menschen ertrinkt einer. Seit 1993 sind laut Zahlen einer Hilfsorganisation an die 35 000 Menschen ertrunken.

Rettungen sind psychologisch anstrengend

Seit Freitag liegt die „Seawatch 3“ auf Einladung des Bürgermeisters anderthalb Meilen vor der italienischen Hafenstadt Syrakus. Die Geretteten an Land zu bringen, ist nicht möglich, da der italienische Innenminister Matteo Salvini die Häfen Italiens für Rettungsschiffe hat schließen lassen und so auch den Zugang zum Recht verweigert. Denn die Geretteten haben so keine Chance, einen Asylantrag zu stellen. Viele Helfer fordern deshalb eine Lösung, die Aufnahmeländern von der Pflicht befreit, die Geretteten dauerhaft aufnehmen zu müssen.

Rettungen sind unter diesen Umständen „psychologisch anstrengend“, so Neugebauer, „und haben eine Signalwirkung auf andere Schiffe“. Denn laut internationalem Recht besteht für alle Schiffe – ob private oder Handelsschiffe – die Pflicht, Menschen aus Seenot zu retten und sie an einem sicheren Ort an Land zu bringen, sagt Nora Markard, Professorin für Völker- und Verfassungsrecht an der Universität Hamburg. Neugebauer berichtet von Funkkontakten aus dem Beobachtungsflugzeug mit Handelsschiffen, die sich bei der Bitte um Rettung plötzlich auf schlechte Funkverbindungen berufen.