Serdar Tasci will als Spieler in die Nationalmannschaft zurückkehren. In anderer Funktion ist er seit zwei Jahren für den DFB tätig.
   

Stuttgart - Serdar Tasci hat es geschafft, sich durchzubeißen. Der Jugendspieler mit Migrationshintergrund wuchs in Deutschland auf und blieb am Ball. Talent und Ehrgeiz des 24-jährigen Abwehrspielers führten ihn in die Fußball-Bundesliga und sogar in die Nationalmannschaft. Er hätte auch für die Türkei spielen können, doch er hat sich für Deutschland entschieden. Er bereut es nicht ist, würde sich aber darüber freuen, wenn der Bundestrainer Joachim Löw ihn wieder berücksichtigen würde. "Ich glaube, dass ich zuletzt recht ordentlich gespielt habe", sagt er.

 

Herr Tasci, am Freitag wird der Bundestrainer Joachim Löw wohl sein Aufgebot für das EM-Qualifikationsspiel in einer Woche in der Türkei bekanntgeben. Wie groß ist Ihre Hoffnung, dass Sie nach einer mehr als einjährigen Pause wieder dabei sind?

Natürlich hoffe ich darauf, aber wie groß die Chance ist, kann ich nicht sagen. Es ist ja auch nicht so, dass ich an nichts anderes mehr denken würde. Ich kann sowieso nichts anderes tun, als noch ein bisschen zu warten.

Wären Sie sehr enttäuscht, wenn Sie nicht zum Kader gehören sollten?

Ich glaube, dass ich zuletzt beim VfB recht ordentlich gespielt habe und dass unsere Abwehr auch insgesamt ganz gut funktioniert hat. Meine Leistung ist das Einzige, was ich direkt beeinflussen kann. Alles andere muss ich so nehmen, wie es kommt. Es ist zwar keine Frage, dass ich mich jetzt über eine Berufung in die Nationalmannschaft sehr freuen würde, aber wenn es nicht klappt, dann klappt es vielleicht beim nächsten Mal.

Ein Einsatz gegen die Türkei wäre für Sie aber vermutlich etwas ganz Besonderes?

Auf jeden Fall. Schließlich stammen meine Eltern aus diesem Land. Hier in Deutschland habe ich ohnehin kaum Verwandte, weil fast alle nach wie vor in der Türkei leben. Die besuche ich dort auch jedes Jahr im Sommer.

Deshalb haben Sie vor drei Jahren wahrscheinlich auch lange gezögert, ehe Sie sich entschieden, für die deutsche Nationalmannschaft zu spielen und nicht für die türkische. Was hat damals den Ausschlag gegeben?

Es war wirklich nicht leicht für mich. Ich hatte dieses Angebot aus der Türkei, aber ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen. Hier hat dann auch meine Laufbahn als Fußballer begonnen. Letztlich war es jedoch keine Entscheidung gegen die Türkei, sondern eine für Deutschland.

Haben Sie diesen Schritt seitdem schon einmal bereut?

Nein, ich habe mir das genau überlegt.

Aber in der Türkei hätten Sie jetzt wohl schon 40 oder 50 Länderspiele bestritten. In Deutschland sind es dagegen nur 14.

Klar, manchmal denke ich auch daran, dass es in Deutschland von der sportlichen Perspektive her vielleicht etwas schwieriger ist als in der Türkei. Aber ich bin diesen schwereren Weg ganz bewusst gegangen.

Als Integrationsbotschafter des DFB sind Sie seit zweieinhalb Jahren auch außerhalb des Platzes für den Verband aktiv. Was tun Sie da genau?

Ich stehe voll hinter dieser Initiative und engagiere mich sehr gerne dafür. Das ist eine gute Sache. Ich nehme Termine in Schulen und bei Vereinen wahr, wo es viele Jugendliche gibt, die wie ich einen Migrationshintergrund haben. Mit denen tausche ich mich dann aus.

Worüber?

Meist erzähle ich ihnen meine Geschichte - wie ich es als Fußballer in die Bundesliga und in die Nationalmannschaft geschafft habe. Aber ich höre mir auch an, welche Probleme die jungen Leute haben. Da kann ich manchmal Tipps geben und sagen, worauf es ankommt und worauf man aufpassen muss.

Der Istanbuler OB interessiert sich auch für den VfB

Geben Sie auch praktische Hilfestellungen, etwa bei der Suche nach einer Lehrstelle?

Darum hat mich noch keiner gebeten, aber wenn einer auf die Idee kommen sollte, würde ich mich sicher nicht verschließen.

Wer ist außer Ihnen noch im DFB-Team?

Die Nationalspielerinnen Celia Okoyino da Mbabi und Fatmire Bajramaj. Und kürzlich ist auch noch mein Vereinskollege Cacau hinzugekommen.

Mit ihm können Sie ja unter vier Augen absprechen, wer welche Termine übernimmt.

So läuft das nicht. Die Vorschläge kommen vom DFB.

In Ihrer Funktion als Integrationsbotschafter waren Sie vergangene Woche auch zu Gast im Stuttgarter Rathaus, wo der Oberbürgermeister Wolfgang Schuster den türkischen Ministerpräsidenten Abdullah Gül empfangen hat. Um was ist es da gegangen?

Unter anderem wurde das neue Buch "Mitten in Deutschland" vorgestellt, das sich mit dem Thema Integration beschäftigt. Darin werden verschiedene deutsch-türkische Erfolgsgeschichten beschrieben. Und ein Kapitel handelt übrigens von mir und meiner Entwicklung.

Haben Sie darüber auch mit Abdullah Gül gesprochen?

Leider konnten wir es nicht vertiefen, denn er hatte noch viele andere Termine und musste schnell wieder weg. Aber dafür blieb Kadir Topbas länger. Mit dem Oberbürgermeister von Istanbul konnte ich mich etwas ausführlicher unterhalten.

Hat er Sie denn sofort erkannt?

Ja, er interessiert sich für Fußball.

Dann haben Sie sicher über das bevorstehende Länderspiel zwischen der Türkei und Deutschland gefachsimpelt?

Nein, über den VfB. Herr Topbas wollte einiges über unseren Club wissen - und ich habe ihm vom VfB erzählt. Vielleicht wird er jetzt sogar Fan. Am nächsten Tag ist er jedenfalls auf die Geschäftsstelle gekommen und hat sich das neue Stadion angeschaut. Das hat ihm gefallen.

Dann hätten Sie ihn ja auch gleich zum Heimspiel am vergangenen Freitag gegen den Hamburger SV einladen können.

Das habe ich auch, aber er musste vorher wieder zurück nach Istanbul.

Meister im ersten Jahr

Sportler

Bevor er 1999 zum VfB Stuttgart wechselte, spielte Serdar Tasci beim SC Altbach und den Stuttgarter Kickers. Gleich in seiner ersten Bundesligasaison holte er mit dem VfB den Meistertitel. Mittlerweile kommt er auf 134 Einsätze. 14-mal hat Tasci in der deutschen Nationalmannschaft gespielt. Seinen ersten Einsatz hatte er 2008 gegen Belgien, den vorerst letzten im August 2010 gegen Dänemark.

Botschafter

Tasci hat türkische Wurzeln. Seine Großeltern zogen aus ihrer Heimat nach Deutschland. Er selbst wurde in Esslingen geboren. Seit 2009 ist Tasci Integrationsbotschafter des DFB.