Ende Januar hat die Polizei in der Stuttgarter Innenstadt ihre Präsenz massiv verstärkt. Beschwerden von Bürgern, die sich nicht sicher fühlten, hatten sich gehäuft. Das Sicherheitskonzept erscheint vielversprechend zu sein.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - "Wir sehen eindeutig schon erste Erfolge“, sagt Joachim Barich, der Leiter des Polizeireviers Hauptstätter Straße. Drei Wochen nach dem Start der Sicherheitskonzeption Stuttgart berichtet er, dass es durch den verstärkten Polizeieinsatz in der Innenstadt gelungen sei, etwas für das Sicherheitsgefühl der Stuttgarter zu tun. In erster Linie habe man Gruppen, die in der Klett-Passage, der Theaterpassage, am Rotebühlplatz und in weiteren Unterführungen herumlungerten, so oft aufgescheucht, dass sie sich verzogen hätten.

 

Die Landes- und die Bundespolizei reagierten Ende Januar mit dem Sicherheitskonzept auf die gestiegene Anzahl von Beschwerden aus der Bevölkerung. Nachdem es in der Silvesternacht in Stuttgart ähnliche Übergriffe wie in Köln gegeben hatte – wenn auch weder quantitativ noch qualitativ in vergleichbarem Ausmaß –, hatten sich die Meldungen gehäuft. Vor allem die Klett-Passage und der Bereich um den Bahnhof waren als „Problemzonen“ benannt worden.

Händler in der Klett-Passage sehen keine Probleme

„So gut, wie es jetzt ist, war es die letzten acht Jahre nicht“, sagt einer, der das Treiben im Bahnhofsuntergrund jeden Tag genau im Blick hat, der Bioladen-Chef Dirk Seiler. Allerdings macht er die Wende nicht an dem nach Silvester aufgestellten Sicherheitskonzept fest, sondern setzt früher an: Nach den Terrorangriffen in Paris im November habe er eine verstärkte Polizeipräsenz wahrgenommen. „Davor war es manchmal so, dass 40 bis 50 Leute vor unserem Laden rumstanden und man kaum durchkam.“ Überwiegend junge Männer nordafrikanischer Herkunft und ältere Rumänen seien das gewesen. „Inzwischen ist es so, dass die Polizei sofort einschreitet, wenn sich ein kleines Grüppchen bildet. Da fühlen die sich natürlich nicht mehr wohl und verziehen sich“, sagt Seiler. Weder Kunden noch Mitarbeiter müssten sich fürchten, sagt er, und spricht damit als Vorsitzender der Mieterinitiative auch für die Kollegen in anderen Geschäften.

Die Polizei stelle fest, dass sich die besagten Gruppen erst gar nicht mehr niederlassen würden. „Unsere Präsenz, die die Bürger begrüßen, fällt dem Gegenüber natürlich negativ auf“, sagt der Revierleiter. Beim Gegenüber handelt es sich um Nordafrikaner, die durch Drogenhandel und Taschendiebstahl auffallen, Gambier, die weiche Drogen wie Marihuana verkaufen wollen, und Roma aus Rumänien, von denen bis zu 70 Personen an der Stadtbahnhaltestelle Rathaus gelagert hätten. Auch wegen der Obdachlosen- und Trinkerszene in der Rotebühlpassage hätten sich viele Passanten unsicher gefühlt, weil sie angepöbelt worden waren.

Keine Zunahme der Gewalt- oder Sexualdelikte

„Es ist alles nichts Dramatisches“, fasst der Revierleiter zusammen, was die Polizisten erlebten – ob zuvor im normalen Streifendienst oder nun bei den Einsätzen mit verstärkter Präsenz. Alles, von Obdachlosen bis Drogenhandel, stuft er als Begleiterscheinungen der Großstadt ein – selbstredend ohne diese zu verharmlosen. Denn: „All das beeinträchtigt natürlich das Sicherheitsgefühl der Bürger.“ Objektiv hatte das Lagebild der Polizei zum Beispiel für die Klett-Passage keine Zunahme von Straftaten verzeichnet. Das gelte vor allem für die nach Silvester befürchtete Zunahme von sexuellen Übergriffen. „Da passiert nicht mehr als sonst, im Umfeld der Diskos am Wochenende hat es das schon immer gegeben“, fasst Barich zusammen.

Von seinem Dienstsitz aus hat der Stadtdekan Christian Hermes das Geschehen im Blick. „Stuttgart ist auf jeden Fall eine sichere Stadt“, sagt der katholische Priester. Jedoch warne er auch vor manchen Stellen: „Ich würde nicht in der Nacht auf Sonntag durch den Schlossgarten gehen“, nennt er als Beispiel. Ob es in den zurückliegenden Wochen ruhiger oder unruhiger als sonst in der Innenstadt gewesen sei, könne er jedoch nur schlecht beurteilen. Schließlich sei es kalt und oft regnerisch gewesen, da seien weniger Menschen in der Stadt unterwegs. „Ich denke, dass die Polizei versucht, rund um den Bahnhof und in der Innenstadt den Leuten wieder ein besseres Sicherheitsgefühl zu geben.“

Die Polizei werde in den kommenden Wochen aufgrund von Personalwechseln die Zahl der Einsatzkräfte etwas verringern, sagt Barich. Ohnehin handele es sich um ein Stufenkonzept, das sich dem Geschehen anpasse. Mitte März werde man wohl mit zwei statt bisher drei Zügen der Einsatzhundertschaft zusätzlich zum normalen Streifendienst unterwegs sein. Hinzu kommen die Dienstgruppen der Bundespolizei, die das Aufgebot verstärken. Mittelfristig sei es das Ziel, wieder auf das klassische Sicherheitskonzept für die Innenstadt zurückzufahren, das einen zusätzlichen Zug der Einsatzhundertschaft vorsehe, so Barich. Die Lage spreche dafür.