Im Interview mit der Stuttgarter Zeitung fordert Körner von der Stadtverwaltung mehr Einsatz bei der Integration von Flüchtlingen und beim Wohnungsbau.

Der Sozialdemokrat Martin Körner führt im Stuttgarter Gemeinderat zwar nur die drittstärkste Fraktion. Wenn es aber darum geht, sich mit OB Fritz Kuhn (Grüne) und Kämmerer Michael Föll (CDU) anzulegen, ist der bei der SPD-Landtagsfraktion beschäftigte Volkswirtschaftler vorne dabei: Nun kritisiert er die Vorhaben der Rathausspitze in Wohnungsbau und Nahverkehr als wenig engagiert.

 
Herr Körner, die Stadt setzt für die Unterbringung der Flüchtlinge nun sogar auf Container. Wie beurteilen Sie die Lage?
Es kommen jetzt sehr viel mehr Flüchtlinge zu uns, als wir noch vor der Sommerpause geplant haben. Deswegen müssen wir bis Jahresende noch einmal 1200 neue Plätze schaffen. Die Verwaltung hat bei der schwierigen Aufgabe, diese Hilfe suchenden Menschen in möglichst vielen, kleinen Einrichtungen unterzubringen, die volle Unterstützung der SPD-Fraktion. Wir haben kein Verständnis dafür, dass die Stelle im Sozialamt für die Sprachkursvermittlung nicht im Haushaltsentwurf drin ist. Wir wollen auch nach wie vor, dass der Schlüssel für die Betreuung der Flüchtlinge verbessert wird.
Wie erklärt die SPD den Menschen in den Stadtbezirken die verschärfte Situation?
Ich habe bisher den Eindruck gewonnen, dass das Verständnis vor Ort sehr groß ist. Aber man muss immer wieder dafür werben, dass wir hier einer humanitären Aufgabe nachkommen wollen.
Auf dem Killesberg klafft mit den Containern an der Roten Wand die Schere von Arm und Reich sehr weit auseinander.
Das mag sein, aber auch da bin ich optimistisch. Es geht hier um eine Interimsunterbringung. Wir schaffen das, dort zwei Jahre lang Flüchtlinge unterzubringen. Die große Zahl der Freundeskreise und ehrenamtlichen Helfer stimmen mich zuversichtlich.
Die Asylbewerber sollen irgendwann in Wohnungen ziehen. Sie haben OB Kuhn dafür kritisiert, dass er zu wenig Wohnraum schafft. Was würden Sie tun?
Die Situation auf dem Wohnungsmarkt war schon vor zwei Jahren ein Problem. Es sind deshalb nicht die Flüchtlinge, die die hohen Mieten verursachen. Wir müssen klar machen, dass die für Wohnungsbau zur Verfügung stehenden Flächen genutzt werden müssen. Wenn wir das schaffen - daran habe ich aber momentan noch Zweifel –, sind deutlich mehr neue Wohnungen möglich, als der OB bisher plant. Vor allem brauchen wir eine Offensive für mehr preiswerte Wohnungen. Wir schlagen vor, dass mindestens ein Drittel der neuen Wohnungen Sozialmietwohnungen sein müssen.
Reicht es aus nachzuverdichten, oder muss man nicht an neuen Siedlungsbau an den grünen Stadträndern denken?
Es reicht aus nachzuverdichten. Manche Fraktionen stellen aber jetzt schon auch die geplanten Nachverdichtungen in Frage.
Sie befürworten das Zweckentfremdungsverbot. Glauben Sie wirklich, dass 3000 Wohnungen identifiziert werden können?
Wir haben diesen Vorschlag schon gemacht, bevor die Flüchtlinge in so großer Zahl gekommen sind. Ich halte es für unglücklich, dass der OB und der Erste Bürgermeister die Einführung des Verbots mit den Flüchtlingen begründen. Wir hatten schon vorher etliche tausend leer stehende Wohnungen. Wenn wir aber bei der Vermittlung leer stehender Wohnungen erfolgreich sein wollen, brauchen wir die Kapazitäten in der Verwaltung, die mit den Eigentümern ins Gespräch kommen soll. Die Stadt könnte ihnen die Vermittlung anbieten und für die Miete gerade stehen. Man sollte auch die Kirche im Dorf lassen. Viele Jahre hat die Zweckentfremdung in Stuttgart gegolten, als die CDU regiert hat.
Kritiker befürchten ein Denunziantentum.
Das ist Unsinn. Manche Eigentümer sind zum Beispiel mit der Vermietung einfach überfordert. Hier kann die Stadt helfen. Es ist aber auch ein politisches Signal: In Stuttgart explodieren die Mieten, Familien mit Kindern, die eine Wohnung suchen, finden keine. Da kann es nicht sein, dass viele tausend Wohnungen leer stehen. Was bedeutet das Grundgesetzgebot „Eigentum verpflichtet“, wenn nicht die Verpflichtung, in einer solchen Situation, Leerstand nicht zuzulassen.
Sie kritisieren, OB Kuhn wolle zu wenig Geld in den Wohnungsbau investieren. Was würden Sie an seiner Stelle tun?
Wir verlieren in den nächsten fünf Jahren 2500 Sozialwohnungen, weil sie aus der Bindung herausfallen. Der OB plant in dieser Zeit, 1500 Sozialwohnungen zu bauen. Wir verlieren unterm Strich also deutlich. Deshalb ist es völlig unzureichend, wenn der OB zur Kompensation nur Geld für die Verlängerung von 100 Bindungsfristen in den nächsten beiden Jahren bereit stellt.
Die Baugesellschaften, die die Sozialwohnungen haben, sehen eben auf dem privaten Markt nach Wegfall der Bindung eine höhere Renditemöglichkeit.
Ich bedauere es, dass das Bündnis für Wohnen erst sehr spät einberufen wurde. Es wäre gut gewesen, dort schon vor den Haushaltsberatungen zu Vereinbarungen zum Beispiel mit den Wohnungsbaugenossenschaften zu kommen, damit wir diese im Etat veranschlagen können.
Sie gefallen sich ganz offensichtlich in der Rolle, in Haushaltsfragen den Gegenspieler zur Rathausspitze zu geben.
Was heißt Gegenspieler? Unsere Aufgabe als Stadträte ist, alles zu tun, dass Stuttgart eine lebenswerte Stadt bleibt. Und natürlich sind wir mit der Verwaltung in einem Ringen. Wir kritisieren zum Beispiel, dass im Entwurf des OB zentrale Kernaufgaben der Stadt nicht enthalten sind. Er hat einfach seine Hausaufgaben nicht gemacht.
Wo liegen die Fehler?
Ein Beispiel: Es kann nicht sein, dass die Stützmauer an der Weinsteige nicht saniert wird, obwohl sie einsturzgefährdet ist, und dann von den Stadträten erwartet wird, dass sie diese Pflichtaufgabe mit Anträgen sicher stellen. Es kann auch nicht sein, dass wir neue Büsche pflanzen, aber im Kurpark die Wege marode sind und die Verwaltung kein Geld für die Sanierung gibt. Wir haken auch kritisch nach, wenn den meist guten Konzepten des OB keine Taten folgen.
Zum Beispiel?
Das kinderfreundliche Stuttgart ist eine große Konzeption des OB, aber im Entwurf sind nur 20 000 Euro pro Jahr eingestellt. Und das erfolgreiche kinderfreundliche Programm kitafit soll auch noch eingestellt werden. Das geht gar nicht.
Die Debatte im Rathaus ist stark auf die Innenstadt fixiert. Sie verweisen häufig auf die negative Entwicklung der Stadtbezirke – mit Erfolg?
Ich vermisse im Haushaltsentwurf Maßnahmen für die Stadtbezirke. Auch hier spielt das Thema Kernaufgaben eine wichtige Rolle. Bei den städtischen Gebäuden habe ich manchmal den Eindruck, dass der Kämmerer erst investiert, wenn es gar nicht mehr anders geht. Das ist keine gute Strategie. Er muss die Gebäude in Schuss halten, etwa das denkmalgeschützte alte Rathaus in Weilimdorf, das gerade verfällt.
Kleine Maßnahmen vorzuschlagen, haben sich immer die Fraktionen vorbehalten, um vor Ort gute Taten vermelden zu können.
Wir werden in diesem Bereich auch Vorschläge machen. Das Gute ist, dass die Stadt vom Bund 12,5 Millionen Euro bekommt.
Halt, das Geld ist für die Sanierung der Wagenhallen reserviert.
Dass das richtig ist, bezweifle ich.
Auch in der Debatte um die Förderung des Nahverkehrs greifen sie OB Kuhn an. Was sind Ihre Gründe?
Weil bei diesem Thema der Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit besonders groß ist. Ich hätte mir niemals vorstellen können, dass ein grüner OB bei den Zielen für den Nahverkehr erklärt, er wolle nur den Status quo halten. Alle sind sich einig, dass für die Luft, die Sicherheit und die Lebensqualität in unserer großen Stadt Busse und Bahnen wichtig sind. Wir vermissen aber eine Busoffensive und konkrete neue Stadtbahnprojekte. Beim OB gewinne ich immer mehr den Eindruck, Politik beschränkt sich auf Politikmarketing
Wo wollen Sie sonst noch Schwerpunkte setzen?
Als Sozialdemokraten natürlich beim Thema Soziales, etwa in der Obdachlosenhilfe und bei der Betreuung von Menschen, die sich nicht mehr um sich selbst kümmern können. Wir werden auch das Thema Familienfreundliches Stuttgart in den Vordergrund rücken.