Wer ohne Ticket in Bus oder Bahn unterwegs ist, begeht kein Kavaliersdelikt – Schwarzfahren ist eine veritable Straftat. Ertappte jugendliche Ticketsünder können mit einem Seminar von SSB und VVS nochmal ohne Strafe davonkommen.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Am Ende könnte eine Schwarzfahrt sogar ins Gefängnis führen. Ganz so drastisch muss es nicht kommen, ausgeschlossen ist es aber nicht. Das haben Jugendliche bei einem Seminar über das Fahren ohne Fahrschein dieser Tage gelernt. Zum zweiten Mal hat der Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) zusammen mit den Stuttgarter Straßenbahnen (SSB), der Staatsanwaltschaft, der Polizei, der Bundespolizei, der Bahn und dem Jugendamt jungen Leuten die Chance gegeben, noch einmal ohne Strafe davonzukommen. Die beim Schwarzfahren erwischten jungen Leute konnten sich für eine Veranstaltung melden, bei der über ihre vermeintliche Freifahrt gesprochen wurde. Sie ist nämlich kein Kavaliersdelikt, sondern eine veritable Straftat. Wer dreimal innerhalb von zwei Jahren beim Schwarzfahren erwischt wird, erhält eine Strafanzeige wegen des Erschleichens einer Leistung, so heißt es im Strafgesetzbuch.

 

Die Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren, die aufgefordert waren, am Seminar teilzunehmen, waren schon mehrmals als Schwarzfahrer aufgefallen. Auf sie hätte eine Strafe gewartet. Da sie bisher aber nur wegen dieses Delikts mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind, wolle man ihnen noch eine Chance geben, sagt Ulrike Weißinger, die Sprecherin des VVS. Deshalb, aber auch um die Strafverfahren zu verringern, habe die Staatsanwaltschaft das Modell angeregt. Über Inhalte und die Reaktionen der Jugendliche könnten die Veranstalter allerdings nicht sprechen, da die Teilnehmer noch minderjährig sind.

Fast 15 Millionen Euro weniger in der Kasse

Im Verkehrsverbund kümmern sich die SSB um die Fahrkartenkontrollen. „Wir sind regelmäßig unterwegs. Es gibt weder Schwerpunkte am Monatsanfang noch zu bestimmten Tageszeiten“, sagt die SSB-Sprecherin Susanne Schupp. Gehäuft würden Kontrollen dann an einer Strecke vorgenommen, wenn viele Schwarzfahrer auf einem Abschnitt auffielen. „Meist wird es dann auch wieder besser, es spricht sich rum“, sagt Schupp.

Bei den Kontrollen gehe es nicht nur darum, „schwarze Schafe“ zu entdecken und das Leistungserschleichen zu ahnden. „Es ist auch ein Signal an unsere zahlenden Fahrgäste. Sie erwarten das von uns.“ Schließlich sollen die Einnahmeeinbußen nicht auf die ehrlichen Fahrgäste umgelegt werden müssen. Zudem sehen sich die Verkehrsbetriebe verpflichtet, mit den Kontrollen ihre Einnahmen zu sichern.

Wie groß das Loch in der Kasse ist, legt der VVS mit Zahlen aus dem Jahr 2012 dar: Bei allen Unternehmen im Verbund sei ein Einnahmeverlust in Höhe von fast 15 Millionen Euro verbucht worden.

Polizei und Verkehrsbetriebe setzen auf Großkontrollen

Um möglichst viele Fahrgäste auf einen Schlag überprüfen zu können, machen die Verkehrsbetriebe und die Polizei in regelmäßigen Abständen gemeinsame Fahrgastkontrollen. Bei einer solchen wurden am 19. Oktober in einer Nacht mehr als 6000 Fahrgäste überprüft, knapp 400 waren schwarzgefahren. Die Polizei übernimmt dabei unter anderem die Aufgabe, die Personalien von Personen festzustellen, die keinen Ausweis dabeihaben.

Im Jahr 2012 seien mit den Kontrollen im normalen Betrieb und den gemeinsamen Großkontrollen der Verkehrsbetriebe und der Polizei rund fünf Millionen Fahrgäste überprüft worden – im gesamten VVS-Gebiet. Täglich fahren 1,1 Millionen Fahrgäste mit Bussen und Bahnen im Bereich des VVS, im Jahr sind es rund 338 Millionen Kunden.

Insgesamt sei man mit der Zahlungsmoral der Passagiere recht zufrieden. „Wir haben immer zwischen zwei und drei Prozent Schwarzfahrer. Man muss auch die positive Seite sehen: Mehr als 97 Prozent der Kunden bezahlen immer“, sagt die Pressesprecherin Susanne Schupp.