Die Vorschläge der Fraktionen im Stuttgarter Gemeinderat zur Steuersenkung würden die Einnahmen um bis zu 72 Millionen Euro schmälern. Aber es ist frisches Geld in Sicht.

Stuttgart - Der finanzielle Höhenflug der Stadt Stuttgart hält an. Ausweislich der aktuellen Steuerschätzung vom November können die Kommunen im Land schon 2017 Mehreinnahmen von rund 400 Millionen Euro erwarten. Im Jahr 2018 ist mit einem Plus von 420 Millionen Euro und 2019 von 490 Millionen Euro auszugehen. Der Stuttgarter SPD-Fraktionschef Martin Körner rechnet für die Landeshauptstadt mit zusätzlichen 25 bis 30 Millionen Euro jährlich, weshalb sich etwa die Gebühren für den Kindergarten abschaffen ließen.

 

Doch damit nicht genug der guten Nachrichten: In die Etatberatungen platzte der Hinweis, zeitnah würden bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) die Mittel aus einem Garantiefonds für Risikopapiere frei. Die Stadt erhält entsprechend ihres Anteils von 18,93 Prozent rund 130 Millionen Euro. Das ist zwar ebenso wenig neu wie der Plan, das Geld für die Opernsanierung zu verwenden. Nennenswert ist aber auch der Nebeneffekt: Weil die LBBW diesen Fonds nicht mehr mit rund 80 Millionen Euro jährlich aus ihren Erträgen speisen muss, kann sie schon vom übernächsten Jahr an höhere Dividenden ausschütten; außerdem erwartet die Stadt mehr Gewerbesteuer von der Bank. Der Vorteil für die Stadt soll zwölf Millionen Euro von 2019 an betragen.

Die aktuelle Steuerschätzung verheißt weitere Einnahmen

Das weckt Begehrlichkeiten. Der Gemeinderat hat in der ersten Lesung des Doppelhaushalts 2018/19 Beschlüsse im Umfang von rund 13 Millionen Euro gefasst. Für die Rathausspitze um Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) und Kämmerer Michael Föll (CDU) ist das noch kein Grund zur Unruhe. Sie wissen aber auch: Das war erst der Anfang.

Eine Gemeinderatsmehrheit aus CDU, Freien Wählern, AfD und FDP will, flankiert vom Haus-und Grundbesitzerverein, eine Senkung der Grundsteuer erreichen. Bisher spült diese Steuer jährlich 155 Millionen Euro in die Kasse der Stadt. In der Notwendigkeit sind sich die Befürworter einig, denn die Erhöhung um 30 Prozent (von 400 auf 520 Hebesatzpunkte) durch die öko-soziale Mehrheit sei 2009 nicht gerechtfertigt gewesen. Man müsse sie jetzt zurückzunehmen. Es sei unlauter, hohe Wohn- und steigende Wohnnebenkosten zu beklagen und gleichzeitig, auch durch zu hohe Grundsteuern, saftige Überschüsse zu erwirtschaften, betont der Vorsitzende von Haus und Grund, Klaus Lang. Vermieter dürfen die Grundsteuer an Mieter weitergeben. In seiner Zeit als Finanzbürgermeister zwischen 1990 und 2003 war der Hebesatz von 250 auf 420 Punkte gestiegen.

Erhöhung 2009 soll zu hoch ausgefallen sein

Die CDU plädiert seit Jahren für eine „intelligente“ Kürzung um 30 Punkte, die nur zur Anwendung käme, wenn im abgelaufenen Haushaltsjahr keine Kreditaufnahme nötig war. Die Grünen haben diese Forderung als Teil eines Gesamtpakets unterstützt. Es hat sich allerdings herausgestellt, dass Kämmerer Föll mit der Aufnahme zinsloser Darlehen 2015 und 2016 die Grundsteuersenkungen trotz positiver Ergebnisse verhindert hat.

2017 würde Föll das nicht gelingen. Die Stadt macht Gewinn, eine Kreditaufnahme wäre untersagt. Deshalb hat er in der ersten Lesung noch einmal auf das Missverhältnis zwischen den finanziellen Auswirkungen der unterschiedlichen Kürzungsforderungen und der geringen Auswirkung auf den einzelnen Grundstückseigentümer, Vermieter und Mieter hingewiesen.

Laut Finanzbürgermeister Föll kostet bereits eine Senkung des Hebesatzes um zehn Punkte fast drei Millionen Euro jährlich. Die Forderung von CDU und Freien Wählern von 30 Punkten würde neun Millionen Euro binden, der Plan der FDP (schrittweise Absenkung bis auf 400 Punkte binnen vier Jahren) würde zwischen neun und 36 Millionen Euro kosten. Die AfD würde sogar in zwei Jahren auf 72 Millionen Euro verzichten.

Die Hälfte der Steuer entfällt auf gewerbliche Grundstücke

Die Steuer entfällt zu 52,9 Prozent auf Geschäftsgrundstücke, sonstige bebaute Grundstücke sowie unbebaute und landwirtschaftliche Areale. „Die Hälfte von dem Geld, auf das wir verzichten, bekommen also nicht normale Vermieter und Mieter, sondern Daimler, Porsche und Co. von uns geschenkt“, kritisiert SPD-Chef Körner, der mit SÖS/Linke-plus in der Minderheit ist. Die Auswirkungen auf den Einzelnen seien zudem überschaubar, betont Föll.

Er listet in einem Schreiben einige Beispiele bei Ein- und Zweifamilienhäusern, Eigentumswohnungen und Mietwohngrundstücken auf und nennt Entlastungen bei einer Senkung von zehn Hebesatzpunkten zwischen 12 und 30 Cent pro Quadratmeter und Jahr. Für ein Mietshaus in der Markgröninger Straße in Zuffenhausen mit 322 Quadratmetern würde die Senkung um 30 Punkte eine jährliche Ersparnis von 25,75 Euro bedeuten. Für eines in der Silberburgstraße mit 612 Quadratmetern sind es 35,90 Euro. Der Besitzer eines Einfamilienhauses mit 136 Quadratmetern Wohnfläche im Wildwechsel in Vaihingen spart einen Euro im Monat.