Mit dem Start in das neue deutsche Fußballjahr steht die Frage im Raum, in welche Richtung sich die erste Liga entwickelt. Es sind Anzeichen zu erkennen, dass das Leistungsniveau gerade auf dem Weg nach unten ist.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stuttgart - Das hat es auch noch nicht gegeben. Erstmals in der Geschichte der Bundesliga wird die Vorrunde nicht vor Weihnachten abgeschlossen, sondern erst im Januar. Der 17. Spieltag an diesem Wochenende ist gleichzeitig der deutsche Start ins neue Fußballjahr. Olympia in Rio und das dazugehörige Fußballturnier haben zu diesem Novum geführt. Das olympische Motto „Dabeisein ist alles“ passt dann auch zum Bundesliga-Auftakt 2017. Scheint es doch einem Großteil der deutschen Erstliga-Teams derzeit fast schon genügen, nicht abzusteigen. Mit diesem Ziel sind viele Clubs in die Saison gegangen, die sich auch zur eigenen Überraschung plötzlich in der oberen Tabellenhälfte wiederfinden: wie Freiburg, Köln, Hoffenheim, Frankfurt und Hertha. Dahinter müssen sich Leverkusen, Schalke, Wolfsburg oder Mönchengladbach einreihen, Teams, die durch die Bank den Ansprüchen nicht gerecht werden. Dass allenfalls durchschnittlich besetzte Mannschaften oben mitspielen, kann als Beleg dafür gewertet werden, dass das Niveau in der Bundesliga sinkt und diese sich somit weiter von den führenden Ligen in England und Spanien entfernt.

 

Vielleicht ist die Bundesliga gar nicht so gut, wie es die Dachorganisation DFL immer behauptet. Zuletzt gab es an der Spitze kaum noch einen Wettbewerb. War die Ausgeglichenheit, die regelmäßig Überraschungsmeister wie Bremen, Wolfsburg oder Stuttgart hevor brachte, einst ein deutsches Gütesiegel, herrscht derzeit fast schon eine Monokultur. Nach dem FC Bayern kommt lange nichts.

Der Rekordmeister macht die Schwäche der Liga deutlich. Die Konkurrenz konnte zuletzt die Probleme des FC Bayern nur ganz selten ausnutzen. Obwohl Robert Lewandowski nicht mehr der alles überragende Torjäger war, bisherige Leistungsträger wie Thomas Müller oder David Alaba lange ihrer Form hinterhergelaufen sind und Stammspieler wie Xabi Alonso und Philipp Lahm den Leistungshöhepunkt überschritten haben, ist derzeit niemand in der Lage, sich über eine ganze Saison hinweg mit den Bayern zu messen.

Robben und Ribéry solle es wieder richten

Frischen Wind versprechen sich die Münchner mit Blick auf die Champions League vor allem von den häufig verletzten Flügelspielern Arjen Robben und Franck Ribéry, die mit 32 beziehungsweise 33 Jahren einen fitteren Eindruck machen als die als Nachfolger verpflichteten Douglas Costa und Kingsley Coman. Die offensichtlichen Schwächen der Bayern hätte die Konkurrenz, wenn man sie denn aktuell überhaupt noch so bezeichnen kann, früher besser zu nutzen gewusst.

Doch selbst Borussia Dortmund hat sich aus der Verfolgung verabschiedet. Was zum einen damit zu tun hat, dass der Club nach einer langen Zeit unter dem dominanten Trainer Jürgen Klopp immer noch in einer Findungsphase steckt. „Das ist so, wie von Thomas Gottschalk ‚Wetten, dass..?‘ zu übernehmen“, sagt der Nachfolger Thomas Tuchel. Der hat aber auch sportliche Probleme geerbt. Weil der BVB bereits unter Klopp von seiner einst so innovativen Einkaufspolitik abgekommen ist. Shinji Kagawa und Nuri Sahin wurden von Manchester United beziehungsweise Real Madrid zurückgeholt, was sich nicht ausgezahlt hat. Der Philosoph und Fußballexperte Wolfram Eilenberger hat für diese Form des Rückkaufgeschäfts den schönen Begriff „Nostalgie-Transfers“ gefunden. Mit Kagawa und Sahin wurden schöne Erinnerungen verbunden. „Nur weitergebracht haben sie den BVB nicht“, so Eilenberger. Dieselbe Erfahrung scheint nun auch Tuchel mit dem aus München zurückgeholten Mario Götze zu machen.

Trotz allem sind die Dortmunder aber noch in der Lage, einen Coup zu landen. Mit der Verpflichtung des 19-jährigen Franzosen Ousmane Dembélé aus Rennes gelang ihnen der spielerisch wohl spektakulärste Neuzugang der Saison. Welche Folgen ein gut funktionierendes Scouting-System in der Bundesliga hat, ist an RB Leipzig zu sehen. Unter anderem entpuppten sich die Verpflichtungen von Naby Keita, der vom Red-Bull-Partnerclub aus Salzburg kam, und des Stuttgarters Timo Werner als Volltreffer. Bis auf Platz zwei hat die vorausschauende Leipziger Personalpolitik den Club mit der jüngsten Bundesliga-Mannschaft geführt. Doch lieber beklagt man an den nicht mehr bedeutenden Fußball-Standorten in Stuttgart, Hamburg oder Bremen die fehlende Tradition und die großen finanziellen Möglichkeiten in Leipzig, anstatt sich etwas von der Planung abzuschauen.

Die Trainer: je unbekannter, desto besser

Die Bundesliga-Clubs scheinen ihr Augenmerk zurzeit weniger auf den Spieler- als auf den Trainerwechsel zu legen. Dabei lautet das Motto offenbar: je unerfahrener, desto besser. In Bremen heißt der Chefcoach Alexander Nouri, in Ingolstadt Maik Walpurgis, beim FC Augsburg Manuel Baum und bei Darmstadt 98 Torsten Frings. Diesen Personlien liegt allesamt die Hoffnung auf den Effekt Hoffenheim zugrunde, wo der Nachwuchstrainer Julian Nagelsmann ganze Arbeit leistet und die TSG bisher ohne Niederlage durch die Saison auf den beachtlichen dritten Platz geführt hat.

In dieser Tabellenregion wurde doch viel eher der VfL Wolfsburg erwartet, der fast schon sinnbildlich für das sinkende Niveau der Bundesliga zu stehen scheint. Mit VW-Millionen, aber ohne übergeordnete Idee kommt gerade nicht mehr als Platz 13 heraus. Es ist das Geld, das gute Spieler in die niedersächsische Provinz lockt, aber nicht halten kann. So arbeitete Julian Draxler im Grunde vom ersten Tag daran, Wolfsburg so schnell wie möglich wieder zu verlassen. Jetzt hat es eines der größten deutschen Talente endlich in der Winterpause geschafft. Und beim neuen Arbeitgeber Paris St. Germain ist ihm gleich im ersten Spiel etwas gelungen, was ihm in dieser Saison in 13 vorangegangenen Bundesligapartien nicht geglückt ist: ein Tor.

Die Bundesliga wird immer mehr zur Zwischenstation und ist nicht mehr Zielbahnhof. Nicht nur für Spieler, sondern auch für Trainer. Pep Guardiola und Jürgen Klopp haben die Bundesliga verlassen, und mit ihnen ist Kompetenz in die Premier League exportiert worden. England ist durch die TV-Milliarden zum Fußballland der unbegrenzten Möglichkeiten geworden. So wie China. Doch geht in diesem aktuellen Fall die Anziehungskraft einzig und allein vom Geld aus.