Herr Stihl, Sie haben lange in Österreich gelebt und die Stihl-Tochter Viking geführt. Wie empfinden Sie Stuttgart heute?
Stuttgart ist hektischer geworden. Der Großraum wächst, der Verkehr hat deutlich zugenommen. Die Nahversorgung mit Lebensmitteln hat sich verschlechtert. Ansonsten ist die Stadt lebhafter, bunter geworden. Ob sie auch lebenswerter ist, weiß ich noch nicht. Zuletzt habe ich in einem bayerischen 5000-Seelen-Dorf gewohnt, Oberaudorf heißt es. Immerhin hatten wir Prominenz: Bastian Schweinsteiger kommt von dort.
Ihr Großvater und Vater konnten das Unternehmen operativ entwickeln. 2002 haben die Gesellschafter vereinbart, dass die nachfolgenden Generationen „nur“ noch kontrollierende Aufgaben im Beirat oder Aufsichtsrat haben. Vermissen Sie die Möglichkeit?
Es dreht sich hier ja nicht um meine persönlichen Befindlichkeiten. Die Familie hat entschieden, dass diese Struktur die zukunftsträchtigste ist. Und die vergangenen zwölf Jahre haben gezeigt, dass die Entscheidung richtig war. Das Unternehmen hat sich prächtig entwickelt. Wir sind mit dem Vorstand sehr zufrieden. Als mein Vater 1973 das Unternehmen übernommen hat, war Stihl viel kleiner – etwa so groß wie Viking heute. Für mich ist die langfristige Entscheidung der Gesellschafter maßgeblich. Und der Beirat bei Stihl ist sicherlich stärker ins Unternehmengeschehen involviert als in manch anderem Unternehmen. So wie es ist, ist es gut.
Das klingt distanziert.
Ich meine es nicht distanziert. Meine Eltern haben ihr Privatleben dem Unternehmen untergeordnet. Sie haben sich immer dem Unternehmen verpflichtet gefühlt. Diese Haltung steht jedem Gesellschafter gut an. Wir haben das Unternehmen geborgt und tragen die Verantwortung, es an die nächste Generation in möglichst gutem Zustand weiter zu reichen. Alles, was dem dient, ist gut. Ich stehe wirklich voll hinter der Entscheidung.
Ist es denkbar, dass die Entscheidung einmal revidiert wird?
Die Entscheidung ist auf Dauer angelegt. Aber wenn die Gesellschafter mehrheitlich entscheiden würden, wir engagieren uns operativ wieder stärker, dann wäre das prinzipiell möglich.
Stihl bleibt Familienunternehmen?
Das steht als Präambel in unseren Unternehmenszielen. Wir wollen, dass Stihl ein Unternehmen der Nachkommen von Andreas Stihl bleibt – und zwar zu 100 Prozent im Familienbesitz.
Sie sind seit zwei Jahren Beiratsvorsitzender. Zu Beginn Ihrer Amtszeit haben Sie die Bedeutung der Mitarbeiterführung betont. Was hat sich geändert?
Wir haben 2013 eine Mitarbeiterbefragung durchgeführt. Erfreulich war, dass die Mitarbeiter sehr gerne bei Stihl arbeiten. Aber wir müssen in einigen Bereichen noch besser werden. Dazu gehören beispielsweise die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Kinderbetreuung. Und dazu gehört das Home Office.
Ist Frauenförderung ein Thema?
Unter unseren 500 Ingenieuren haben wir etliche Frauen, die einen hervorragenden Job machen. So hat beispielsweise eine Ingenieurin unsere Gesteinssäge entwickelt, mit der man Beton und Steine sägen kann. Wir fördern und befördern Frauen. Insgesamt sind wir mit unserem Frauenanteil aber nicht zufrieden. Aber genauso wie wir eine Frauenquote ablehnen, achten wir darauf, dass keine Diskriminierungen stattfinden.