Der Stihl-Vorstand Bertram Kandziora spricht im StZ-Interview darüber, wie er die bewährten Produkte verbessern möchte.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Waiblingen - Mehr als 20 Millionen Euro investiert der Kettensägenspezialist Stihl in ein neues Gebäude am Stammwerk in Waiblingen-Neustadt. Das hat der Vorsitzende der Geschäftsführung, Bertram Kandziora, angekündigt. Über die Hintergründe und andere Überlegungen spricht er im Interview.

 

Herr Kandziora, das Entwicklungszentrum in Waiblingen-Neustadt ist zwar von dem nicht mehr aktuellen Bundeskanzler Gerhard Schröder eingeweiht worden, aber so lange ist das doch noch gar nicht her.

Das war im Jahr 2004. Damals sind die Entwickler aus den beengten Räumlichkeiten am Waiblinger Bahnhof umgezogen.

Und jetzt wird es schon wieder eng?

Ja, einige unserer technischen Prüfstände mussten bereits in Container ausgelagert werden. Das neue Gebäude schafft Platz für das Bestehende und Kapazitäten für weiteres Wachstum.

Es bietet Raum für 180 Arbeitsplätze-sind dies alles neue Stellen?

Aus dem beengten "alten" Entwicklungszentrum werden einige Entwickler in den Erweiterungsbau umziehen. Darüber hinaus haben wir zurzeit 40 offene Stellen, die wir besetzen wollen, und bis 2014, wenn das Gebäude steht, wird es mit Sicherheit noch weiteren Bedarf geben.

Seit Sie in den Vorstand bei Stihl eingetreten sind, ist der Umsatz von 1,5 auf mehr als 2,5 Milliarden Euro angewachsen. Worauf führen Sie das zurück?

Wir haben uns, wie dies auch der Wunsch der Eigentümer ist, gut auf unser Kerngeschäft konzentriert, unsere Produkte stetig verbessert und die Marktbearbeitung intensiviert. Im Gegensatz zu manchem Mitbewerber macht man bei Stihl nicht den Fehler, jedes Jahr die Strategie zu ändern und vermeintlichen Trends aufzusitzen. Hier setzt man auf Konstanz.

Eine echte Überraschung kann man von Stihl in Zukunft also nicht erwarten?

Wenn das bedeutet, dass wir morgen ein Flugzeug bauen werden: Nein. Wir haben in der Vergangenheit zwar auch einige exotisch anmutende Zusatzprodukte auf den Markt gebracht - etwa einen Kaffee- oder einen Korkrindenernter. Ansonsten aber werden wir unsere bewährten Produktbereiche weiter verbessern und ausbauen.

Was macht die Heimat so attraktiv?

Was bedeutet das konkret?

Bei den Benzinmotoren wird immer mehr Elektronik eingesetzt. Wir haben etwa den weltweit ersten Trennschleifer mit Einspritztechnik entwickelt. Außerdem erweitern wir unsere Palette mit Akkuantrieb.

4000 der rund 12.000 Mitarbeiter sind in Deutschland beschäftigt, fast 3000 Mitarbeiter am Standort Waiblingen. Was macht die Heimat so attraktiv?

Die innovativen, engagierten und kreativen Menschen. Unsere heimischen Ingenieure und Facharbeiter haben praktische Fähigkeiten, die vielen in der Theorie gut ausgebildeten Menschen, etwa in China, einfach fehlen.

Dennoch wird nicht nur daheim produziert.

Dann wären wir nicht wettbewerbsfähig. Die zentrale Entwicklung ist und bleibt in Waiblingen, hier wird auch ein Gutteil der Fertigungstechnologie konzipiert. Darüber hinaus werden alle Profiprodukte in Deutschland hergestellt, die preisgünstigen Einstiegsmodelle hingegen eher in den USA und in China.

Hat sich mit dem geplanten Erweiterungsbau das örtliche Investitionsprogramm bis auf Weiteres erst einmal erledigt?

Nein, wir investieren ständig, etwa in unsere Produktionsanlagen oder Werkzeuge. Das addiert sich auch zu stattlichen Summen, wird aber nicht so öffentlichkeitswirksam dargestellt wie etwa der jetzt anvisierte Erweiterungsbau. Allein in diesem Jahr hat Stihl in Deutschland 90 Millionen Euro in die Hand genommen.

2012 sind Sie im zehnten Jahr für Stihl tätig. Wie fällt Ihre persönliche Bilanz aus?

Positiv! Aber eine solche Bilanz ist nicht das Werk eines Einzelnen, das erreicht man nur mit der gesamten Mannschaft. Und die hat hervorragende Arbeit geleistet.

Im kommenden Jahr will Hans-Peter Stihl von seinen Posten im Unternehmen zurücktreten. Der designierte Nachfolger für den Beiratsvorsitz ist sein Sohn Nikolas. Wie wird das die Firma Stihl verändern?

Es wird ein evolutionärer, aber kein radikaler Übergang sein. Dr. Nikolas Stihl ist schon lange für das Unternehmen tätig. Wir werden intensiv darüber diskutieren, wie man die Firma weiterentwickeln kann.

Der Kettensägenspezialist investiert

Stihl-Gruppe: Das Unternehmen mit Stammsitz in Waiblingen entwickelt und produziert motorgetriebene Geräte für die Landschaftspflege, die Forst- und die Bauwirtschaft. Stihl ist seit den 70er Jahren die meistverkaufte Kettensäge der Welt. Das 1926 gegründete Unternehmen ist in mehr als 160 Ländern vertreten und peilt eigenen Angaben zufolge einen Jahresumsatz von mehr als 2,5 Milliarden Euro an. Weltweit beschäftigt die Firma rund 12000 Mitarbeiter, 4000 davon in Deutschland.

Vorstand: Bertram Kandziora ist im Februar 2002 in den Vorstand von Stihl berufen worden. Ein Jahr später wurde er zum Sprecher des Gremiums bestellt, 2005 zu dessen Vorsitzendem. Im Frühjahr wurde der Vertrag mit dem 55-jährigen Ingenieur vorzeitig um weitere fünf Jahre verlängert.

Investition: Stihl will in seinem Werk in Waiblingen-Neustadt das Entwicklungszentrum erweitern. Der 8500 Quadratmeter große Neubau wird mit Kosten von gut 20 Millionen Euro kalkuliert. Der Baustart ist voraussichtlich Anfang 2013, die Fertigstellung im Frühjahr 2014. Die Räumlichkeiten erweitern die Kapazitäten der Entwicklungsabteilung, zudem soll in das Gebäude der Speisesaal der Kantine verlagert werden. Bereits bei der Herbstpressekonferenz in diesem Jahr hat das Unternehmen angekündigt, weltweit mehr als 200 Millionen Euro ausgeben zu wollen, um die Produktionskapazitäten zu erweitern. Knapp die Hälfte davon soll in die deutschen Werke fließen.