Die SPD-Ministerin Manuela Schwesig überrascht die Union mit ihrem neuen Entwurf für ein Prostitutionsgesetz. Die in zähen Verhandlungen errungene Einigkeit ist dahin – ein Affront für die Familienpolitiker von CSU/CSU, die nun das Verfahren aufhalten wollen.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Die vermeintliche Einigkeit über ein neues Prostitutionsgesetz hat sich schon wieder in Luft aufgelöst. „Unsäglich“ nennt die Vorsitzende der Frauengruppe in der Unionsfraktion, Karin Maag, den Entwurf, den das Bundesfrauenministerium jüngst vorgelegt hat.

 

Nach zwei Jahren mühsamen Verhandlungen hatte es im Sommer eine Einigung auf die Eckpunkte einer Reform gegeben, die in einem ersten Entwurf mündete. Nun sieht sich die Union von Ministerin Manuela Schwesig (SPD) zurückgeworfen: Der Standard zum Schutz für Prostituierte werde gegen die Absprachen abgesenkt, moniert die Stuttgarter Abgeordnete. Die SPD weiche erheblich von den ausgehandelten Punkten ab und konterkariere die gemeinsamen Ziele. Die Union zeigt sich fassungslos angesichts der „Taktiererei“ und versucht nun zu verhindern, dass sich das Kabinett mit dem Entwurf bald befasst.

Die regelmäßige Beratung verhindert

Konkret hatte Schwesig die Pflichten der Betroffenen an vielen Stellen abgeschwächt. So soll die Anmeldebescheinigung für Frauen über 21 Jahre von den bisher geplanten zwei Jahren auf vier Jahre erweitert werden – für unter 21-Jährige von einem auf zwei Jahre. Auch soll die Anmeldung bundesweit gelten. „Dies wird dem erforderlichen Schutz nicht gerecht“, rügt Maag, zumal die Verlängerung der Anmeldung auch ohne persönliches Erscheinen elektronisch erfolgen kann. Damit wird das Ansinnen, die Prostituierten zur regelmäßigen Kontaktaufnahme mit einer Behörde zu zwingen, bei der weitere Hilfe angeboten werden kann, torpediert.

Zudem verzichtet der Entwurf auf die von den Familienpolitikern beschlossene regelmäßige Gesundheitsberatung. Bisher soll sie ein Mal pro Jahr erfolgen – bei unter 21-Jährigen halbjährlich. Künftig soll sie lediglich nur einmal vor der ersten Anmeldung, verpflichtend sein. Damit werde das Ziel verfehlt, den meist osteuropäischen Frauen in den Beratungsstellen zu ermöglichen, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Dass sich Gewaltopfer ohne Beisein des Zuhälters dort offenbaren, werde unwahrscheinlicher. „Diese Schutzmöglichkeit möchte das Frauenministerium den Menschen in der Prostitution vorenthalten“, sagt Maag. „Da machen wir nicht mit.“

Ferner kritisiert sie, dass die neuen Regelungen erst zwei Jahre nach Verkündigung des Gesetzes und damit nicht vor Mitte/Ende 2018 in Kraft treten sollen – durch eine Übergangsregelung für bereits tätige Prostituierte sogar erst 2019. Damit ziehe sich die Reform weiter in die Länge.

Der Druck der Lobby auf die Politik

Das Familienministerium begründet die Abschwächung des Entwurfs mit dem hohen bürokratischen und finanziellen Aufwand für Länder und Kommunen vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise. „Die Schutzstandards zu senken und das noch mit der Bürokratie wegen der Flüchtlinge zu begründen, halte ich für besonders perfide“, sagt Maag. Gerade für geflüchtete Frauen bestehe ein Risiko, dass ihre Not zur Zwangsprostitution ausgenutzt werde.

Als entscheidend für den Kurswechsel der SPD wird der Druck der Lobby der „freien Sexarbeiterinnen“ angesehen. Deren Einfluss auf die Reform wird von Prostitutionsgegnern wie dem Stuttgarter Verein „Sisters“ schon länger beklagt. Die Union zeigt sich zwar gesprächsbereit, speziell bei den Übergangsfristen, erklärt die zuvor ausgehandelten Kernpunkte aber für nicht verhandelbar. Im Endeffekt könnte dies bedeuten, dass auch die große Koalition – wie zuvor schon Schwarz-Gelb – gar kein neues Gesetz zustande bringt.