Da passt ins Bild, dass der bayerische Ministerpräsident die Spekulationen über eine Rolle für ihn in Berlin nur allzu gerne laufen lässt. Man will die CDU-Chefin auch 2017 unterstützen – wenn sie sich denn auf die CSU zubewegt. Einen Formelkompromiss jedoch kann es in der Frage, ob die Grenzöffnung für die in Ungarn gestrandeten Flüchtlinge Anfang September 2015 richtig oder falsch war, kaum geben: Merkel wäre vielleicht noch mehr beschädigt, wenn sie die humanitäre Entscheidung von damals nun als falsch bezeichnen würde. Für Seehofer wiederum sind die bundespolitischen Kollateralschäden zweitrangig im Vergleich zum obersten Ziel, 2018 die absolute CSU-Mehrheit in Bayern zu verteidigen. In dieser Gemengelage scheint ein CDU-Kanzlerkandidat, der nicht den Namen Angela Merkel trägt, keine so abwegige Idee. „Alle Indikatoren“, sagt ein SPD-Regierungsmitglied im Vertrauen, „sprechen gegen Merkel.“

 

Neuer Zuspruch im kirchlichen Milieu

Das sehen natürlich längst nicht alle so. Für eine erneute Kanzlerkandidatur Merkels spricht, dass ein Aufstand gegen sie eine politisch blutige Angelegenheit werden könnte. Denn die Zahl derer in der CDU, die ihren Kurs mittragen, ist nicht klein. Generalsekretär Peter Tauber etwa verweist immer wieder darauf, dass die Aufnahme von Menschen aus dem Bürgerkriegsland der Partei gerade im kirchlichen Milieu neuen Zuspruch verschafft hat. Groß ist auch die Gruppe derer, die bei den Fakten bleiben und nicht dem irrationalen Vorwurf nachgeben wollen, die CDU habe nichts zur Begrenzung der Zuwanderung getan. Nicht zuletzt deshalb dürfte etwa eine Kanzlerkandidatur Seehofers, der Ikone der Merkel-Kritiker in der Union, in der CDU kaum mehrheitsfähig sein. Hinzu kommt, wenn man so will, die internationale Verantwortung: Noch größere Tumulte in der deutschen Regierung, da es in der EU ohnehin schon an so vielen Ecken rumort, könnten die Gemeinschaft in noch schwierigere Fahrwasser bringen.

Und wer sollte das sonst verhindern als Angela Merkel, die international so einflussreich und angesehen ist wie wenige ihrer Vorgänger? Als Übergangskandidat fällt immer wieder der Name Wolfgang Schäuble. Aber könnte der dann 75-Jährige bei der Bundestagswahl glaubhaft antreten? Und sonst gibt es da nicht so viele Namen, die sich aufdrängen. Wenn Seehofer zum selben Schluss kommt, müsste auch er Merkel unterstützen. Die größte Regierungspartei hat ihre einzig wirklich realistische Kandidatenoption intern beschädigt und damit ein Problem – eigentlich ist das die Stunde der Opposition.